Julia Festival 94
hatte.
„Du kannst nicht erwarten, dass ich …“
„Ich erwarte nichts als ein Minimum an gesundem Menschenverstand von dir“, unterbrach er sie in verändertem Ton. „Solange man dich für meine Geliebte hielt, wahrte man um meinetwillen äußerste Diskretion. Inzwischen achtet man dich als meine Frau, und alles, was du tust, ist für die Dienerschaft von Interesse.“
Freddy erschrak. „Wirklich?“
„Wundert dich das, nachdem du einen Mann in meiner Position geheiratet hast?“ Jaspar fuhr sich mit der Hand durchs dichte Haar. „Wenn bekannt wird, dass wir so kurz nach der Hochzeit getrennte Schlafzimmer haben, wird niemand – allen voran mein Vater – daran glauben, dass dies eine Liebesheirat war.“
„Eine Liebesheirat?“, wiederholte Freddy verwirrt.
„So habe ich es dargestellt. Wie hätte ich meinen Vater sonst dazu bringen sollen, unsere Heirat zu akzeptieren? Etwa mit der Wahrheit?“
Freddy wandte den Blick ab, denn sie erkannte in Jaspars Augen, wie sehr er sich dafür verachtete, seinen Vater belogen zu haben. Warum hatte sie Hasna nicht besser zugehört? Dann wäre sie auf diesen Moment besser vorbereitet gewesen.
„Liebe war das einzige Argument, das ich bringen konnte“, fuhr Jaspar bitter fort. „Kannst du dir vorstellen, wie mich seine aufrichtige Freude beschämt hat?“
Freddy fühlte sich nicht weniger beschämt. „Wenn ich meinen Fehler nur gutmachen könnte“, sagte sie leise.
„Ich habe auch Fehler gemacht“, gab Jaspar zu. „Es war mir zuwider, in Adils trübem Privatleben herumzustochern, und dass sein Sohn wie ein Paket verladen wurde, machte mir wenig aus. Doch das alles liegt jetzt hinter uns.“
„Für immer?“
„Für immer.“ Jaspar sagte das mit einer Überzeugung, die Freddy erschütterte. „Wir müssen miteinander leben und eine erfolgreiche Ehe führen. Warum sollte das nicht möglich sein? Lass uns beim Essen weiter darüber sprechen.“
Freddy hätte mehr als einen Grund gewusst, aber sie nannte keinen. Wenn Jaspar an Wunder glaubte, wollte sie es auch tun. Zumindest das war sie ihm schuldig.
10. KAPITEL
Sie aßen in dem prächtigen Speisezimmer des Palastes, das beinahe einem Bankettsaal glich. Mehr als einmal dachte Freddy, dass ein kleinerer Raum, in dem die Stimmen kein Echo hervorriefen und die Bedienten von der Tür bis zum Tisch nicht zwanzig Meter zurücklegen mussten, bedeutend angenehmer gewesen wäre.
Jaspar merkte nichts von ihrem Unbehagen und schien es auch nicht zu teilen. Warum auch?, dachte Freddy. Er war seit seiner Geburt an riesige Räume gewöhnt, und es lag bei ihr, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden und an ihren veränderten Lebensstil zu gewöhnen.
Als der Mokka gebracht wurde, lehnte sich Jaspar bequemer zurück und meinte: „Während ich in New York war, habe ich unsere Situation von der geschäftlichen Seite betrachtet.“
„Von der geschäftlichen Seite?“ Freddy konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was Jaspar meinte.
„Manchmal hilft es, ein Problem von einem anderen Standpunkt aus zu beurteilen“, fuhr er fort. „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die Ehe in vieler Hinsicht einem geschäftlichen Abkommen gleicht.“
Nachdem sich Freddy mühsam damit abgefunden hatte, dass sie ein Problem in Jaspars Leben darstellte, war dies ein neuer Schlag für ihr Selbstbewusstsein. „Wie kannst du das sagen?“
„Gewöhnlich verlieben sich ein Mann und eine Frau ineinander und beschließen zu heiraten. Beide setzen ganz verschiedene Erwartungen auf die Ehe. Entweder gelingt es ihnen, einen Kompromiss zu finden, oder sie trennen sich wieder.“ Der sarkastische Ton war selbst bei Jaspar ungewöhnlich. „Wir beide lieben uns nicht, und ich habe bereits feststellen müssen, wozu du fähig bist. Das ist ein Vorteil.“
Freddy senkte den Kopf. „Wirklich?“
„Unbedingt. Wir führen eine Vernunftehe mit unterschiedlichem Ziel. Du hast Benedict und den Lebensstil, den du wolltest, während ich …“
„Während du hoffst, den ersehnten Sohn und Thronfolger zu bekommen“, vollendete Freddy an seiner Stelle den Satz. Der Kummer, der sie eben noch niedergedrückt hatte, verwandelte sich in Zorn. Wenn Jaspar es richtig fand, so zynisch und kaltblütig über ihre Ehe zu reden, würde sie ihm nicht mit Gefühlen kommen!
„Und dazu eine schöne, äußerst begehrenswerte Frau.“ Jaspar betrachtete Freddy schonungslos. „Ich sehe keinen Grund, warum das nicht zu einer befriedigenden
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