Julia Festival 94
wollen.“
„Es war mir peinlich …“
„Peinlich? Warum das?“ Plötzlich lächelte Leone. „Ich war überrascht und sehr stolz, dass du mich gewählt hattest. Nach allem, was ich über dich wusste …“
„Flash und ich haben jahrelang in demselben Heim gelebt. Wir waren wie Bruder und Schwester.“
Leone nickte. „Und deine Verlobung mit Philip Redding?“
„Sie dauerte nur kurz, und mehr möchte ich nicht darüber sagen.“
„Wie hast du den Nachmittag verbracht?“, erkundigte sich Leone, als sie abends zu den anderen Gästen hinuntergingen.
Misty strich das elegante weiße Kleid glatt, das sie für die Party gewählt hatte, und lächelte schalkhaft. „Ich habe so gut wie nichts gegessen und anschließend an der Schlossbesichtigung teilgenommen. Sie lohnt sich wirklich und … ach ja. Ich bin Oliver Sargent begegnet.“
Leones Hand schloss sich fester um ihren Arm. „Das ist unmöglich. Oliver war mit dem zweiten Boot draußen auf dem See.“
„Dann hat er sich davongestohlen, denn er kam gerade zurück, als ich unten auftauchte.“
Leone blieb stehen und sah Misty durchdringend an. „Ein netter Kerl, nicht wahr?“
„Das dachte ich auch … am Anfang. Nachher fand ich ihn eher unsympathisch.“ Misty verstand nicht, warum ihre Meinung über Oliver Sargent für Leone so wichtig war. „Seine Frau gefiel mir viel besser.“
„Die hast du auch kennengelernt?“
„Jenny sagte, ihr wärt früher befreundet gewesen …“
„Niemals.“
Misty begriff Leone immer weniger. „Hätte ich den Nachmittag im Zimmer verbringen sollen, nur weil du nicht da warst?“
„Nein.“ Leone zuckte die Schultern, als wollte er eine Last abschütteln. „Vergiss, was ich gesagt habe. Es ist nicht wichtig.“
Es war eine glanzvolle Party mit einem überraschend üppigen Büfett. Der große, getäfelte Saal war reich mit Blumen geschmückt und zum Tanzen hergerichtet worden. Misty schwebte in Leones Armen über das glänzende Parkett und bemühte sich, nur an den Augenblick zu denken. Sie wusste nicht, was aus ihrer Beziehung werden sollte, aber lag nicht in jeder Beziehung ein gewisses Risiko? Seit drei Jahren war sie zum ersten Mal wieder im Begriff, sich zu verlieben, obwohl alles falsch angefangen hatte. Warum gewährte das Leben einem niemals eine zweite Chance?
Irgendwann im Lauf des Abends verfing sich Mistys Absatz in ihrem Kleid, und sie musste nach oben gehen, um den Saum zu befestigen. Als sie wieder herunterkam, verstellte ihr Oliver Sargent den Weg.
„Ich würde Ihnen gern einen freundschaftlichen Rat geben“, sagte er mit schwankender Stimme, als hätte er zu viel getrunken. Er sah schlecht aus, tiefe Linien zogen sich von der Nase zu den Mundwinkeln.
„In welcher Hinsicht?“, fragte Misty vorsichtig.
„Verschwinden Sie aus Leone Andracchis Leben. Vertrauen Sie ihm nicht. Er benutzt Sie nur.“
Misty sah Oliver unsicher an. Sie kannte ihn kaum und wurde trotzdem so persönlich von ihm angesprochen. Sollte sie fragen, was ihn zu der ungewöhnlichen Warnung bewogen hatte?
Doch bevor es dazu kam, hatte er sich schon umgedreht und wieder unter die anderen Gäste gemischt. Misty wusste beim besten Willen nicht, was sie davon halten sollte. Dass zwischen Leone und Oliver eine ausgeprägte Abneigung bestand, war ihr nicht entgangen, aber warum versuchte man, sie in das böse Spiel hineinzuziehen?
8. KAPITEL
„Ich wüsste gern, was aus unserer Beziehung werden soll“, seufzte Misty, als sie am nächsten Tag vom Flughafen zur Wohnung zurückfuhren.
Leone schwieg lange, ohne sie anzusehen. „Die Frage kann ich noch nicht beantworten“, sagte er endlich.
„Ich eigne mich nicht zur Geliebten“, fuhr sie fort. „Zur echten noch weniger als zur falschen. Ich nehme an, dass ich noch unter Vertrag stehe?“
Leone zögerte, als müsste er Mistys Rolle nach den Geschehnissen am Wochenende neu überdenken. „Ja.“
„Aber du willst mir nicht sagen, welchen Sinn diese ganze Komödie hat?“
Leone sah starr geradeaus. „Nein, noch nicht.“
„Dann kehren wir zu den alten Bedingungen zurück“, entschied Misty, ohne weiter zu überlegen.
„Porca miseria! Das wäre unsinnig.“
„Anders geht es nicht.“ Misty fühlte sich plötzlich traurig und mutlos. „Du kannst nicht beides haben, Leone.“
„Mit Erpressung erreicht man bei mir nichts“, drohte er.
„Das ist keine Erpressung!“, fuhr Misty auf.
„Ich bin während der nächsten Woche in New York. Denk solange
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