JULIA FESTIVAL Band 76
fester Nahrung anzufangen. Colton gewöhnt sich langsam daran, im Hochstuhl zu sitzen, und jetzt dreht es sich nur noch um die Frage, ob wir mit Früchten oder Gemüse anfangen. Willst du uns bei der Entscheidung helfen?“
Jonathan sah sich im Kinderzimmer um. Es war alles da, Wickeltisch, Stofftiere, Laufstall und so weiter.
„Was willst du denn noch von mir?“, fragte er. „Reicht es nicht, dass ich für all das hier aufkomme?“ Mit einer Handbewegung umschrieb er das ganze Zimmer.
„ Ich will nichts von dir“, sagte Cynthia. „Aber Colton.“
„Ich tue alles für Colton, was notwendig ist“, erwiderte er. „Er hat ein Zuhause und jemanden, der sich um ihn kümmert.“
„Deine Verantwortung für ihn besteht nicht nur darin, dass du seine Rechnungen bezahlst“, beharrte Cynthia und stand auf. Herausfordernd stemmte sie die Arme in die Hüften. „Colton ist dein einziger Verwandter. Aber du ignorierst ihn einfach.“
„Er ist ein Baby. Soll ich mit ihm über den Weltfrieden diskutieren?“
„Wohl kaum. Aber du kannst trotzdem eine Beziehung zu ihm aufbauen.“
Er winkte ab. „Daran habe ich kein Interesse.“
„Na und?“ Sie trat näher und sah ihm in die Augen. „Wir müssen alle einmal etwas tun, was wir uns nicht ausgesucht haben. Das gehört zum Erwachsensein. Und jetzt reden wir über das Leben eines Kindes. Wie kannst du nur bestreiten, dass das ungeheuer wichtig ist?“
Sie funkelte ihn wütend an. „Hör endlich auf, so verdammt egoistisch zu sein“, sagte sie und pochte mit ihrem Finger auf seine Brust. „Ja, ich weiß, dass du eine lausige Beziehung zu deinem Vater hattest. Ja, dein Bruder war immer der Liebling. Na und? Finde dich endlich damit ab. Du führst jetzt ein wundervolles Leben, das du dir ganz allein aufgebaut hast. Und wenn du weiter so machst, wirst du Colton genau das antun, was dein Vater dir angetan hat.“
Ihre Worte waren wie Salz in seinen Wunden. Er wollte nicht so werden wie sein Vater. Vielleicht konnte er keine Gefühle für Colton entwickeln, aber er würde dafür sorgen, dass der Junge alles hatte, was er brauchte.
Cynthia fühlte, dass er mit sich kämpfte. Aber anstatt Ruhe zu geben, holte sie zum letzten Schlag aus. „Was für ein Vermächtnis wirst du einmal hinterlassen, Jonathan Steele? In hundert Jahren bist du schon lange tot. Glaubst du, dass sich irgendjemand in der Firma noch an dich erinnern wird? Wohl kaum. Aber für Coltons Kinder wirst du ein Begriff sein. Was soll dein Neffe einmal von dir sagen? Dass du ein großer Mann warst, ernst und ehrlich, aber immer für ihn da und mitfühlend? Oder ein entfernter Verwandter, der ihn von Kindermädchen großziehen ließ?“
Wortlos drehte Jonathan sich um und ging.
„Du bist ein besserer Mensch“, rief Cynthia ihm leise nach. „Besser, als du zugeben willst.“
Er drehte sich noch mal um und lachte hart. „Nein, das bin ich nicht. Ich habe dich gewarnt.“
„Dann wird es Zeit, dass du dich änderst.“
Jonathan gab sich große Mühe, in den folgenden drei Tagen zu vergessen, was Cynthia gesagt hatte. Doch zwischen den Besprechungen und Autofahrten musste er dauernd darüber nachdenken. Es war etwas Wahres dran an ihren Worten. Er mochte ja einige Fehler haben, aber Selbsttäuschung gehörte nicht dazu.
Langsam ging er von der Garage zum Haus. Er hatte weder Cynthia noch Colton seit Montag gesehen, doch heute war er früher nach Haus gekommen, um Cynthia zur Rede zu stellen. Nicht dass er wüsste, was er sagen sollte!
Er öffnete die Tür. Sofort schallten ihm laute Walzerrhythmen entgegen. Lucinda kam ihm auf dem Treppenabsatz entgegen. „Man sollte es nicht glauben, aber das Baby schläft seelenruhig bei all dem Lärm“, sagte sie lächelnd. „Miss Cynthia bringt ihrer Schwester das Tanzen bei. Am Wochenende ist Jennys Schulball.“ Sie zeigte zum Wohnzimmer. „Sie sind da drin.“
Jonathan lockerte seine Krawatte und ging geradewegs ins Wohnzimmer. Tische und Stühle waren zur Seite geschoben worden, und der Teppich lag zusammengerollt in der Ecke. Cynthia und Jenny standen sich auf dem Parkett gegenüber und hatten Tanzhaltung eingenommen. Beide waren in Jeans und Sweatshirts gekleidet, doch Jenny trug hochhackige Schuhe.
„Ich hasse diese Dinger“, klagte Jenny. „Dauernd habe ich das Gefühl, gleich umzukippen.“
„Ich weiß, aber zu deinem Kleid kannst du keine Turnschuhe tragen. Und denk daran: Hör immer auf die Musik. Der Walzer hat einen bestimmten
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