JULIA FESTIVAL Band 89
kreiste mit den Schultern, als wollte sie die sentimentalen Erinnerungen abschütteln, ehe sie an ihren weißen, mit vergoldeten Schnitzereien versehenen Kleiderschrank trat und einen eleganten Pyjama aus Seide herausholte.
„Hier, nimm das“, sagte sie zu Suzanne. „Geh aber erst einmal unter die heiße Dusche. Wenn du magst, kann ich dir auch ein Schaumbad einlassen.“
„Nein, nein.“
„Und während du dich aufwärmst, kann ich uns etwas kochen.“
„Taylor.“
„Magst du Cracker mit Käsedipp? Ich habe auch noch eine Flasche Wein, die bestimmt …“
„Taylor, ich werde dich nicht verklagen.“
Es überraschte Suzanne, als Taylor sie auf einmal umarmte und so eng an sich zog, dass sie kaum noch Luft bekam. „Denkst du denn, mir geht es ums Geld?“ Ihr Flüstern klang entsetzt. „Du bist meine Freundin, und nur weil ich sparen wollte, wärst du beinahe ums Leben gekommen.“
Etwas verlegen machte Suzanne sich frei. „Deine Freundin?“
„Wir haben uns doch verbündet. Meinst du, ich schließe mit jeder beliebigen Frau einen Pakt, für immer Single zu bleiben?“ Unvermittelt wandte Taylor sich ab, trat ans Fenster und starrte in die Dunkelheit hinaus.
„Es tut mir so leid, Suzanne. Ich werde mir niemals verzeihen, was heute Nacht passiert ist“, sagte sie leise.
„Aber es geht mir doch gut, Taylor. Sieh mal.“ Sie stellte sich neben sie, rollte die Ärmel von Ryans Hemd auf und zeigte Taylor ihre Arme. Sein männlicher Duft stieg ihr in die Nase und ließ sie wieder daran denken, wie lieb er sie getröstet hatte. „Ich habe nicht einmal einen Kratzer abbekommen.“
„Wirst du jetzt ausziehen?“
„Tja, eine Dachwohnung ohne Dach ist mir ein bisschen zu ungemütlich.“
„Aber neben meinem Apartment ist noch eins frei.“
„Das ist nett von dir. Leider sind diese Apartments hier doppelt so groß, und ich bin sicher, dass ich mir das nicht leisten kann.“
„Doch, weil du dafür keinen Cent mehr als für die Dachwohnung zahlen wirst. Der erste Monat ist natürlich als Entschädigung für heute Nacht mietfrei. Bitte, Suzanne, bleib.“
Die Vorstellung, wieder auf Wohnungssuche gehen zu müssen, behagte ihr nicht. Andererseits wollte sie die Situation auch nicht ausnutzen. „Taylor.“
„Das ist mir wichtig. Du bist mir wichtig, Suzanne.“
Es war schon lange her, seit jemand sich so sehr gewünscht hatte, dass sie blieb. Ihr Vater und ihre Mutter liebten sie, da war sie sich sicher, aber sie hätten sie niemals darum gebeten.
Außerdem ehrte sie Taylors angebotene Freundschaft. „Vielen Dank.“
„Heißt das, du bleibst?“
„Es heißt: Vielen Dank, ich bleibe gern hier.“ Sie lächelte verlegen. „Im Moment würde ich in meinem Wagen nachts ziemlich frieren.“
Erleichtert erwiderte Taylor das Lächeln. „Heute Nacht müsstest du dann allerdings in meinem Bett schlafen.“
Als Suzanne das Bad verließ, wartete im Schlafzimmer bereits ein Becher mit heißer Schokolade auf sie.
„Glaub bloß nicht, dass ich das jetzt immer für dich mache“, warnte Taylor sie. „Ich bin eher daran gewöhnt, bedient zu werden, als selbst jemanden zu bedienen.“ Sie rutschte an den äußersten Rand des Bettes und ließ Suzanne sehr viel Platz.
Erst als sie sich auch ins Bett legte, merkte sie, wie todmüde sie war. Sie zog sich die flauschige Decke bis zum Hals und seufzte wohlig, weil es so warm war und so bequem. „Es wäre eine Sünde, dieses Bett zu verkaufen. Der pure Luxus.“
„Ich weiß, aber mit dem Erlös für dieses Schlafzimmer und die ganzen anderen Antiquitäten, die ich noch eingelagert habe, könnte ich die Renovierungsarbeiten bezahlen.“
„Noch mehr Antiquitäten? Das ist ja wunderbar.“ Suzanne bewunderte Menschen, die geduldig suchten, bis sie etwas fanden, was perfekt zu ihrer Sammlung passte.
„Es ist ein schrecklich teures Hobby.“ Taylor klopfte auf das Kopfkissen. „Und ich kann es mir jetzt sowieso nicht mehr leisten. Aber keine Bange. Gleich morgen früh werde ich dir beim Umräumen deiner Sachen in das untere Apartment helfen. Sobald Ryan den Baum entfernt hat, werde ich alle anderen Arbeiten in Auftrag geben. Ich brauche einen Architekten, einen Bauunternehmer und noch andere Handwerker.“
Ryan. Allein beim Klang seines Namens war Suzanne wieder hellwach. Für sie war er nicht mehr der Mann, der aus Bäumen fiel, sondern ein Held. Und genau deswegen musste sie ihm aus dem Weg gehen, sonst brachte er sie noch dazu, ihren Vorsatz zu
Weitere Kostenlose Bücher