JULIA FESTIVAL Band 89
„Sie wissen, dass ich Ihnen das Leben zur Hölle machen kann.“
„Nein, ich kann Ihnen das Leben zur Hölle machen.“ Gut gesagt, dachte Nicole.
Sie war die Jüngste im Ärzteteam und wusste, dass es ungeschriebene Regeln gab. Dr. Watts hielt alle Fäden in der Hand, und im Grunde war sie machtlos.
Trotzdem hielt sie den Kopf hoch erhoben, während sie an Dr. Watts vorbeiging und das Krankenhaus verließ. Erst da fiel ihr ein, dass ihr Auto in der Werkstatt war. Na, prima, der perfekte Abschluss eines schrecklichen Tages. Sie sehnte sich nach einer Auseinandersetzung, aber es war niemand da, an dem sie ihren Ärger auslassen konnte.
Nicole ging zur nächsten Telefonzelle und suchte sich die Nummer eines Taxiunternehmens heraus.
6. KAPITEL
Zeichnen und Entwerfen, das war Tys Bestimmung. Er setzte seine Ideen um, indem er Gebäude entwarf, und wenn die Sache stand, dann zog er weiter.
Besonders in dem letzten Punkt war er Experte. Er konnte jederzeit seine Sachen packen und wegziehen. Das meiste konnte er sich ohnehin überall auf der Welt neu kaufen. Wenn nötig, schaffte er es innerhalb einer halben Stunde, fertig zur Abreise zu sein.
Taylors Haus bot viele Möglichkeiten, obwohl es so verwahrlost aussah. Dieser Job war für ihn eine Herausforderung, sodass es ihm im Moment nicht in den Sinn kam weiterzuziehen.
Ty stand gerade auf dem Dach und blickte auf Nicoles Wohnzimmerfenster hinunter. Er überlegte, ob er einen Erker einbauen könnte, damit es mehr zum Stil der Jahrhundertwende passte, in dem das Haus erbaut worden war. In dem Moment hörte er unten auf der Straße das Quietschen von Reifen.
Nicole sprang aus einem Taxi. Ty hatte ihr Auto in die Werkstatt gebracht. Mittlerweile müsste es fertig sein. An Nicoles Gang erkannte er, dass sie fast vor Wut platzte. Was mochte bloß vorgefallen sein?
Obwohl er noch einige Dachsparren vermessen musste, rutschte er auf dem Dach hinunter bis zu dem Zierbalkon vor ihrem Wohnzimmerfenster. Durch die Scheibe sah er, dass sie gerade ihre Apartmenttür zuknallte. Sie erblickte ihn sofort und runzelte unwillig die Stirn.
Tja, dachte Ty, es ist doch schön, wenn man herzlich willkommen ist.
Wütend kam sie auf ihn zu und riss das Fenster so abrupt auf, dass er schon fürchtete, sie wolle ihn aus dem dritten Stockwerk nach unten stoßen.
„Was tust du hier?“
„Ich dachte, ich komm mal vorbei.“
„Sehr lustig.“ Sie lächelte nicht. „Treibst du dich oft vor fremden Fenstern herum?“
„Nur vor deinem.“ Er neigte den Kopf zur Seite. „Darf ich hereinkommen?“
„Nein.“
„Und wenn ich dich sehr nett darum bitte?“
„Ach, lass das.“ Sie wandte sich ab. „Komm rein, du lässt dich ja sowieso nicht abwimmeln.“
Ty konnte es sich selbst nicht ganz erklären. Aber wenn Nicole so gestresst war, dann zog es ihn immer ganz besonders hin zu ihr. Er kletterte in die Wohnung und betrachtete Nicole, die dastand, als habe sie einen Besenstiel verschluckt. Er trat hinter sie und legte ihr sanft die Hände auf die Schultern.
„Pst“, beruhigte er sie, als sie zusammenzuckte. Behutsam massierte er ihre Schultern. Jeder Muskel war verspannt. Außerdem merkte er, dass sie vor Wut kochte. Er fühlte mit ihr und suchte nach einem Weg, um ihr zu helfen. In der nächsten Sekunde fiel ihm außerdem auf, dass sie unter ihrem weißen T-Shirt einen BH aus gelber Spitze trug. Ob ihr Slip dieselbe Farbe hatte?
„Wie kommt es denn, dass Sie heute so verspannt sind, Frau Doktor?“
„Das liegt an dem Dreckskerl, der mich ohne Aufforderung angefasst hat.“
Ty erstarrte.
„Dich meine ich nicht.“
Trotzdem biss er die Zähne zusammen. „Wer hat dich angefasst, ohne dass du es wolltest?“
„Nur ein Blödmann bei der Arbeit.“
„Dein Chef?“
Sie zuckte nur mit den Schultern.
„Verdammt!“ Mühsam zügelte Ty seinen Zorn und fuhr mit seiner Massage fort. Offenbar wollte Nicole sein Mitgefühl nicht, und mit seinem Ärger konnte sie jetzt sicher auch nichts anfangen. In möglichst gelassenem Tonfall sagte er: „Möchtest du, dass ich mich wie ein Höhlenmensch auf ihn stürze und ihn verprügle?“
Nicole musste lachen, und er entspannte sich etwas. Wenn dieser Kerl ihr etwas angetan hätte, sagte er sich, würde sie jetzt nicht lachen können.
„Ich habe ihn bereits versorgt“, erklärte sie.
„Hoffentlich hast du ihm einen Tritt verpasst, dass er drei Wochen lang nicht sitzen kann.“
„Nein, ich habe nur seinem Selbstbewusstsein
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