JULIA FESTIVAL Band 97
aufzuregen. Ihr Blutdruck ist noch nicht wieder stabil.“
„Versprochen“, erwiderte Olivia, bevor sie sich den Hörer ans Ohr hielt. Nachdem sie der Schwester noch einmal zugelächelt hatte, fragte sie zaghaft: „Luis? Bist du das?“
„Wen hattest du denn erwartet?“, konterte ihr Stiefsohn mit einem feindseligen Unterton. „Rodrigues, schätze ich. Er hat mir erzählt, dass er der Vater des Babys ist. Ihr beide habt euch sicher herrlich auf meine Kosten amüsiert!“
„Nein!“ Wie konnte er so etwas nur annehmen! Was hatte Christian ihm bloß gesagt? „Luis, du weißt, dass ich dich niemals bewusst verletzen würde.“
„Und warum hast du deine Schwangerschaft dann vor mir geheim gehalten?“, fragte er gekränkt. „Mom, dir muss doch klar gewesen sein, wie es für mich ist, wenn ich es von jemand anders höre. Okay, Chris ist cool, und ich mag ihn. Aber ich hätte es wirklich verdient, die Wahrheit zu erfahren, verdammt!“
„Ich weiß.“ Offenbar hatte sie ihn ziemlich verletzt, wenn auch nicht mit böser Absicht. „Ich schätze, ich habe mich zu sehr geschämt und wollte nicht, dass du schlecht von mir denkst.“
„Geschämt?“, wiederholte Luis entgeistert. „Mensch, Mom, dazu gibt es wirklich keinen Grund. Ich weiß, dass du es mit Vater nicht leicht hattest. Was du jetzt aus deinem Leben machst, geht mich nichts an.“ Er machte eine kurze Pause, und als er weitersprach, klang seine Stimme deutlich sanfter. „Der Arzt meinte, du hättest eine schlimme Nacht hinter dir. Wie geht es dir denn jetzt?“
„Es geht mir … gut“, antwortete sie, da sie ihn nicht mit den Einzelheiten belasten wollte. „Und … deiner kleinen Schwester auch, falls es dich interessiert.“
„Falls es mich interessiert?“ Luis schnaufte verächtlich. „Nicht zu fassen, ich habe eine kleine Schwester! Ich kann es gar nicht abwarten, sie zu sehen. Und dich natürlich auch.“
„Es wäre schön, wenn du kommen würdest – sobald du dich freimachen kannst“, sagte sie leise. Sie konnte kaum glauben, dass das Schlimmste nun vorüber war, denn dieser Moment hatte ihr schon so lange bevorgestanden.
„Ich komme heute Nachmittag“, verkündete Luis und riss sie damit aus ihren Gedanken. „Wenn Chris da ist, kannst du ihm ausrichten, dass ich den Flug um elf nehme.“
„Chris? Christian?“ Ihr Mund war auf einmal so trocken, dass sie kaum sprechen konnte. „Er kommt her?“ Nein, sie wollte Christian auf keinen Fall sehen! Wie, in aller Welt, sollte sie ihre Gefühle vor ihm verbergen?
„Ja“, bestätigte Luis. „Ich glaube, er steht unter Schock. Sei nett zu ihm, Mom. Er ist ziemlich down, weil er auch nicht von der Geburt erfahren sollte.“
Als die Schwester kam, um nach ihr zu sehen, hielt Olivia das Telefon noch immer in der Hand.
„Was ist los?“, fragte diese vorwurfsvoll, nachdem sie es ihr abgenommen hatte. „Was hat Ihr Sohn Ihnen gesagt, Mrs. Mora? Hoffentlich hat er Sie nicht aufgeregt. Sie sind ganz blass.“
Olivia schüttelte den Kopf. „Es geht mir gut.“ Mühsam rang sie sich ein Lächeln ab und fügte etwas energischer hinzu: „Wann darf ich aufstehen?“
Vielleicht fühlte sie sich besser, wenn sie Christian nicht im Bett empfangen würde. Ihrer Tochter zuliebe musste sie stark sein. Sie durfte nicht vergessen, warum sie auf seine Unterstützung verzichtet hatte.
„Das entscheidet Dr. Collins“, verkündete die Schwester, während sie ihre Kissen und das Laken aufschüttelte. „So, ich lasse Sie jetzt allein, damit Sie sich ein bisschen ausruhen können, und in ungefähr einer Stunde bringe ich Ihnen das Baby. Sie brauchen Kraft, um die Kleine füttern zu können.“
Bei der Vorstellung, ihre Tochter zu stillen, begannen Olivias Lippen zu beben. Bisher hatte man sie ihr erst einmal angelegt, und das ohne Erfolg. Aber nun, da es ihr besser ging, freute sie sich darauf, es noch einmal zu versuchen. Außerdem schien es eine Ewigkeit her zu sein, dass sie sie in den Armen gehalten hatte.
Trotz ihres Vorsatzes, sich bereit zu halten, falls Luis recht hatte und Christian tatsächlich auftauchen sollte, fielen Olivia die Augen zu. Die Schwester würde ihr sicher Bescheid sagen, wenn sie Besuch bekam …
Die leichte Berührung an ihrer Hand war sehr angenehm. Noch angenehmer war der Traum, dass Christian neben ihrem Bett stand. In seinen Augen schimmerten Tränen, und er wirkte so mitgenommen wie noch nie zuvor. Offenbar sagte er etwas, denn seine Lippen bewegten sich,
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