JULIA FESTIVAL Band 97
Wagen startete, dankte sie Christian insgeheim für seine Voraussicht. Hätte sie den Wagen nicht gehabt, hätte sie ein Taxi rufen müssen, und zu dieser Tageszeit wäre nicht unbedingt eins gekommen.
Kurzfristig hatte sie auch mit dem Gedanken gespielt, einen Krankenwagen zu rufen. Allerdings war eine Geburt kein Notfall, sondern nur etwas beängstigend, wenn man ganz allein war. Am wichtigsten war jetzt, schnell ins Krankenhaus zu kommen, denn sie hatte großes Vertrauen zu Dr. Collins. Er würde wissen, was zu tun war.
Tatsächlich schaffte sie es gerade noch. Da die Wehen in immer kürzen Abständen kamen, war es ihr sehr schwergefallen, sich auf das Fahren zu konzentrieren. Als sie endlich die Notaufnahme betrat, war sie aschfahl, aber erleichtert, weil sie sich nun endlich entspannen konnte.
Trotzdem war die Nacht der reinste Albtraum gewesen. Unter größten Schmerzen musste sie eine Untersuchung nach der anderen über sich ergehen lassen. Solange nicht sicher war, ob Dr. Collins sie operieren würde, wollte man ihr keine Medikamente geben. Erst nach Stunden stellte sich heraus, dass es zu gefährlich wäre, einen Kaiserschnitt vorzunehmen. Sie mussten eine natürliche Geburt riskieren.
In den frühen Morgenstunden konnte sie die Schmerzen kaum noch ertragen, und Dr. Collins schlug ihr vor, Luis anzurufen, damit dieser sie etwas unterstützen konnte. Aber Olivia lehnte ab, weil sie ihren Stiefsohn, der nach wie vor nichts von der Schwangerschaft wusste, auf keinen Fall in Panik versetzen wollte.
Am Spätnachmittag war sie mit ihren Kräften am Ende. Ihr war klar, dass Dr. Collins und die Schwestern sich Sorgen um sie machten, und sie glaubte, sie und das Baby würden sterben. In einem schwachen Moment wünschte sie, sie würde es wagen, Christian anzurufen und ihn bitten zu kommen.
Aber als es besonders kritisch um sie stand, trat plötzlich eine Wende ein, und sie schaffte es unter Aufbietung ihrer letzten Kräfte und mit Hilfe von Dr. Collins, das Baby zur Welt zu bringen.
An viel mehr erinnerte sie sich nicht, nur an den Augenblick, als die Schwester ihr ihre Tochter in die Arme gelegt hatte. Olivia hatte so stark gezittert, dass sie das Kind kaum halten konnte, sah allerdings sofort, wie ähnlich die Kleine ihrem Vater war.
Anschließend wurde ihre Tochter zu ihrer ersten Untersuchung gebracht, und der Arzt und die Schwestern unterhielten sich leise an ihrem Bett, aber Olivia war durch den starken Blutverlust zu benommen, um darauf zu achten, was sie sagten.
Offenbar hatte man mehrere Stunden gebraucht, um sie zu stabilisieren. In dieser Zeit hatte sie Dr. Collins auch erlaubt, ihren Stiefsohn anzurufen und ihm die Neuigkeit mitzuteilen. Doch sie erinnerte sich nicht mehr daran.
Jetzt aber schien die Sonne, und sie hatte gerade mit tatkräftiger Unterstützung einer Krankenschwester ein lauwarmes Bad genommen, nach dem sie sich schon viel besser fühlte, wenn auch noch etwas schwach. Dr. Collins hatte ihr allerdings versichert, dass das unter diesen Umständen ganz normal war. Immer noch etwas benommen überlegte Olivia, was wohl in Luis vorgegangen sein mochte, als er erfahren hatte, dass sie ein Baby bekommen hatte. Hoffentlich würde er nicht schlecht von ihr denken, denn sie hatten sich immer sehr nahe gestanden.
Und Christian …
Nein, sie durfte jetzt nicht an Christian denken, nicht solange sie so aufgewühlt war. Sich vorzustellen, wie er reagieren würde, wenn er erfuhr, dass er eine Tochter bekommen hatte, war etwas, womit sie sich momentan nicht belasten wollte. Vermutlich würde sie in ihrem derzeitigen Zustand irgendetwas Dummes sagen oder tun, in der Art, dass sie hoffte, er würde die Kleine lieben.
Eine Schwester, die mit einem schnurlosen Telefon in der Hand hereinkam, unterbrach Olivias Gedanken.
„Sie haben einen Anruf, Mrs. Mora“, sagte die Schwester. „Wollen Sie ihn entgegennehmen? Es ist Ihr Sohn.“
„Luis …“ Auch wenn Olivia ziemliche Angst davor hatte, mit Luis zu sprechen, nickte sie. Früher oder später musste sie ohnehin mit ihm sprechen, und vielleicht war es besser, es am Telefon zu tun.
„Sind Sie sicher?“ Offenbar hatte die junge Schwester ihr Zögern bemerkt, wofür Olivia sich sofort schämte.
„Ja, bitte“, erklärte sie entschlossen, während sie versuchte, sich ein wenig im Bett aufzurichten.
„Ich komme in ein paar Minuten wieder“, informierte die Schwester sie, bevor sie ihr das Telefon reichte. „Versuchen Sie, sich nicht
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