JULIA FESTIVAL Band 97
inzwischen geändert und hielt ihn nicht mehr für durch und durch schlecht?
Fraglos hatte Tony seinen Teil zu ihrer Einstellung ihm gegenüber beigetragen, denn er hatte ständig und überall erzählt, wie ähnlich sie sich waren, auch in ihrer Beziehung zu Frauen. Aber das stimmte nicht. Natürlich hatte er auch Freundinnen gehabt, aber er hatte nie mit einer Frau geschlafen, für die er nichts empfand. Und außerdem war er im Gegensatz zu Tony nicht verheiratet gewesen.
Von Anfang an war seine Beziehung zu Olivia problematisch gewesen, denn auf der einen Seite hatte Olivia angenommen, dass er Tony schamlos ausnutzte, und andererseits hatte er sich Tony zuliebe von ihr fernhalten müssen. Was ihm bis zu jener Nacht auch nicht besonders schwergefallen war …
Was war nur in jener Nacht passiert? Sein Verhalten zu rechtfertigen, war nicht besonders schwer, auch wenn er nach wie vor Gewissensbisse hatte. Olivia war am Boden zerstört gewesen, und er hatte sie getröstet. Damit hatte er allerdings ein Problem geschaffen, das er anscheinend nicht lösen konnte.
Seit Tonys Tod zeigte sie ihm ihre Verachtung noch deutlicher. Bei jeder Gelegenheit führte sie ihm unmissverständlich vor Augen, dass sie ihn nicht mochte. Trotzdem war etwas passiert, als er mit ihr zusammen war, und das spürte sie genauso wie er. Selbst nach Luis’ Unfall im Krankenhaus hatte sie panisch auf seine Berührung reagiert. Warum hatte sie solche Angst vor ihm? Was hatte sie zu verbergen?
Liebend gern hätte er geglaubt, dass sie nur gegen ihre Gefühle kämpfte, weil sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Schließlich hatte sie kaum Erfahrung mit Männern und konnte daher nicht besonders souverän mit der Situation umgehen.
Aber das eigentliche Problem war, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte. Natürlich hatte er sie immer als attraktive Frau wahrgenommen, doch er war nicht der Typ, der Affären mit verheirateten Frauen begann, selbst wenn Olivia Bereitschaft signalisiert hätte. Vorher hatte er noch nie etwas getan, dessen er sich schämen musste.
Zerknirscht musste Christian sich eingestehen, dass er das leidenschaftliche Intermezzo mit Olivia nicht bereute. Wenn sie keine starken Empfindungen in ihm geweckt hätte, hätte er sie niemals so küssen oder auf jene Weise mit ihr schlafen können. Leider quälten ihn diese starken Empfindungen immer noch, und er war in erster Linie nach San Gimeno gekommen, um sie zu überprüfen.
Gegen seinen Willen hatte er festgestellt, dass Olivia ihm tatsächlich etwas bedeutete. Deshalb war auch seine Beziehung zu Julie gescheitert – leider, wenn man bedachte, was Olivia für ihn empfand.
Trotzdem konnte nicht einmal sie leugnen, dass es zwischen ihnen funkte. Unter anderem deswegen fand er ihre Gesellschaft so aufregend. Er war gern mit ihr zusammen, weil sie ihn nie langweilte.
Wie er sie davon überzeugen sollte, stellte ihn allerdings vor ein schier unlösbares Problem. Denn auch wenn sie heute gesagt hatte, er könnte noch einige Tage bleiben, hatte das nicht viel zu bedeuten. Außerdem musste er am Ende der Woche ohnehin zurück nach Miami, um Mike abzulösen. Und wann würde er sie dann wiedersehen?
Als Christian am nächsten Morgen das sonnendurchflutete Frühstückszimmer betrat, rechnete er fast damit, dass Olivia bereits gegessen hatte und an den Strand gegangen war. Doch sie saß noch mit einer Tasse Kaffee in der Hand am Tisch und blickte gedankenverloren aus dem Fenster. Bevor sie sich ihm zuwandte, konnte er kurz ihr Profil betrachten, und dieser kurze Augenblick genügte, um sein Verlangen zu wecken.
Was war bloß mit ihm los? Wann hatte er angefangen, Olivia mit anderen Augen zu sehen und nachts von ihr zu träumen?
„Guten Morgen“, sagte sie höflich.
Frustriert erwiderte er ihren Gruß, setzte sich ihr gegenüber und nahm ein warmes Brötchen aus dem Korb, den sie ihm hinschob.
Stumm beobachtete er sie, während sie ihm Kaffee einschenkte und Milch und Zucker anbot. „Ich trinke ihn schwarz, danke“, erklärte er und fühlte sich dabei merkwürdig unsicher – ein Gefühl, das ganz neu für ihn war.
Heute trug Olivia pink – ein T-Shirt in einem etwas helleren Ton mit einem aufgedruckten Delfin, etwas dunklere Shorts, die den Blick auf ihre gebräunten Beine freigaben, und ein gleichfarbiges Haarband.
Wie jung und vital sie wirkte, dachte er ungläubig. Noch nie war er einer Frau begegnet, die ungeschminkt so gut aussah. Obwohl er sich über sein Verlangen
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