JULIA FESTIVAL EXTRA Band 04
würde, dann durfte sie sich wie eine echte Duchesse, eine Herzogin, fühlen.
Nach dem Duschen zog Hannah ihre saubere Jeans und das taillenfreie, leuchtend grün, blau, schwarz und pink gestreifte Stretch-Top an. Sie liebte dieses Top, weil es zu allem passte, was sie an Garderobe dabeihatte, und ihre herrliche Sonnenbräune ebenso betonte wie das auffällige Grün ihrer Augen.
Ihre lange blonde Lockenmähne trocknete nur langsam, aber für die Fahrt nach Port Douglas würde sie vermutlich sowieso den ganzen Vormittag brauchen. Und da sie erst für drei Uhr nachmittags zum Vorstellungsgespräch bestellt war, würde ihr dann noch genug Zeit bleiben, ihre Locken zu einem gepflegten Zopf zu flechten, denn offen herumflatterndes Haar war natürlich verboten, wenn sie als Profiköchin durchgehen wollte.
Nachdem Hannah ihre Sachen fertig gepackt hatte, verabschiedete sie sich noch von den anderen Rucksacktouristen und machte sich auf zum „Boardwalk Café“, um zu frühstücken und mit etwas Glück eine Mitfahrgelegenheit zu finden. Das war das Gute, wenn man den gängigen Touristenrouten folgte: Man traf auf viele hilfsbereite Leute, weil es jedem Spaß machte, die Reiseerfahrungen mit anderen auszutauschen.
Lächelnd und voller Optimismus blickte Hannah dem vor ihr liegenden Tag entgegen. Es war reines Glück gewesen, dass sie vor zwei Wochen in Cairns das Stellenangebot in der Zeitung gesehen hatte, und nochmals Glück, dass sie aufgrund ihres Bewerbungsschreibens zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden war. Wenn das Glück ihr treu blieb – und warum sollte es nicht so sein? –, dann würde sie heute Abend der neue Küchenchef auf dem Spitzenkatamaran der „Kingtripper“-Reederei sein.
„Telefon für Sie. Es ist Antonio.“
Rosita trug das schnurlose Telefon zu dem Tisch neben dem Springbrunnen auf der Loggia, wo Isabella Valeri-King ihren Morgentee trank.
Gestern hatte Isabella ihren achtzigsten Geburtstag gefeiert. Sie fühlte sich nicht wie achtzig. Ihr Haar war weiß, und ihr Gesicht hatte mehr Falten, als es ihr vielleicht lieb war, aber sie hielt sich immer noch kerzengerade, und ihren hellwachen dunklen Augen entging nur wenig. Rosita, die seit fünfundzwanzig Jahren als Haushälterin für ihr Wohl sorgte, hatte darauf bestanden, dass sie sich heute ausruhen sollte, aber Isabellas wacher Verstand ruhte nie.
Antonio … ihr zweitältester Enkelsohn, zweiunddreißig Jahre alt und zu frei und ungebunden für Isabellas Geschmack. Dagegen musste bald etwas unternommen werden. Die Zeit wurde zum Feind, wenn man älter wurde. Die jungen Leute glaubten, alle Zeit der Welt zu haben, aber dem war nicht so. Man musste seine Zeit klug nutzen und durfte sie nicht gedankenlos vergeuden.
„Danke, Rosita.“ Isabella lächelte ihrer langjährigen Vertrauten zu und nahm das Telefon ans Ohr. „Wo liegt das Problem, Antonio?“ Ein Anruf während des Tages bedeutete immer ein Problem.
„Ich brauche deine Hilfe, Nonna.“
„Natürlich.“
„Ich bin am Cape Tribulation. Auf der Teeplantage hier gibt es Schwierigkeiten. Dann muss ich noch auf die andere Plantage nach Innisfail fliegen und da nach dem Rechten sehen. Das Problem ist, dass ich drei Leute für heute zum Vorstellungsgespräch bestellt habe, die sich als Küchenchef auf der ‚Duchess‘ beworben haben …“
Isabellas Interesse war sofort geweckt. „Und du möchtest, dass ich dir das abnehme und den besten Kandidaten für dich auswähle?“
Antonio seufzte erleichtert. „Würdest du das tun? Ich weise das Büro im Hafen an, sie zu dir aufs Schloss zu schicken.“
„Es passt mir sehr gut, Antonio.“
„Großartig! Es handelt sich bei allen drei Bewerbern um junge Frauen …“
Bestens! dachte Isabella. Vielleicht war ja eine mögliche Ehefrau für Antonio darunter. Er würde eine Frau brauchen, die gern auf einem Boot war.
„… und den Bewerbungsschreiben nach, die ich dir natürlich vorbeibringen lasse, haben sie alle jahrelange Erfahrung in der Gastronomie. Ich brauche aber einen Küchenchef, der vor allem frischen Fisch richtig gut zubereiten kann. Das wird auf der ‚Duchess‘ erwartet. Achte bei der Befragung darauf, Nonna, und stell sie auf die Probe.“
Ein kleines Lächeln huschte über Isabellas Gesicht. Antonio schien nicht einen Moment daran zu zweifeln, dass sie die Richtige dafür war. Und warum sollte er auch kein Vertrauen in ihr Urteil haben? Schließlich hatte sie viele Jahre lang große Hochzeitsfeiern auf dem
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