JULIA FESTIVAL EXTRA Band 06
ihre Schwester sie durch die Tür des kleinen Saals schob.
Statt einer Hand voll Gäste, mit denen sie gerechnet hatte, schien sie ein ganzer Raum voller Menschen zu erwarten. Einen Moment lang war sie versucht, auf dem Absatz kehrtzumachen und davonzulaufen. Liam schien zu spüren, wie sie sich fühlte, und legte von hinten den Arm um ihre Taille.
„Wo kommen die denn alle her?“, erkundigte er sich leise bei Bobbie.
Sam hörte Bobbie lachen, und erst als ihre Panik sich legte, wurde ihr klar, dass nur ein kleiner Teil der Familie erschienen war. Höchstens ein Dutzend, und alle lächelten sie freudig an.
„Na ja, ich musste Jenny einfach anrufen“, erklärte Bobbie. „Die meisten waren bei ihr zum Mittagessen verabredet, und wir haben es spontan hierher verlegt. Ihr habt doch nichts dagegen, oder? Oh, ich freue mich ja so für dich, Sam. Ich finde die Geschichte so romantisch. Nach all den Jahren. Und nachdem ihr so lange wie Hund und Katze wart.“
Sie strahlte Sam an. „Liam muss dich sehr lieben, wenn er deinetwegen eine so weite Reise macht. Sam wird allerdings eine schreckliche Gouverneursgattin abgeben, Liam, das weißt du hoffentlich.“
„Danke“, erwiderte Sam.
„Wartet nur ab“, meinte Bobbie lachend. „Wenn vor dem Sitz des Gouverneurs die erste Demonstration stattfindet, wird Sam sie anführen. Weißt du noch, wie sie den Protest gegen die Jagd organisiert hat, Liam?“
„Wie könnte ich das vergessen?“, knurrte er. „Schließlich musste ich sie aus dem Polizeigewahrsam holen.“
„Und dann hast du mich gezwungen, mich unter die Gartendusche zu stellen, weil ich mir vielleicht etwas geholt hatte.“ Sam schauderte. Liam war sehr zornig gewesen, als er die Kaution für sie hinterlegt hatte. In herablassendem Ton hatte er sie darauf hingewiesen, dass einige ihrer Mitprotestierer offenbar keinen großen Wert auf Hygiene legten.
Gleich am nächsten Morgen war Sam aus Angst vor Flöhen zum Friseur gegangen und hatte sich das lange Haar abschneiden lassen. Sie wusste noch, wie ihre Mutter geweint und Liam entsetzt auf ihre jungenhafte Frisur gestarrt hatte. Sie hatte sich das Haar wieder wachsen lassen, aber inzwischen war es wieder kurz, wenn auch viel weiblicher geschnitten als damals.
„Erinnerst du dich daran?“, fragte sie Liam. „Die arme Mom hat so geweint.“
„Ja, ich erinnere mich. Dein schönes Haar … Du sahst so anders aus. Aber ich muss sagen, die kurzen Haare stehen dir toll.“
Sam vermutete, dass er diplomatisch und liebevoll sein wollte. Doch bevor sie etwas ähnlich Versöhnliches erwidern konnte, meldete Bobbie sich erneut zu Wort.
„Ja, ich habe mal gehört, wie Liam zu jemandem sagte, dass gestutzte Locken an einem so sensationell geformten Körper wie deinem unglaublich sexy aussehen“, erzählte Sams Schwester. Sam starrte Liam an.
„Das hast du gesagt?“, hauchte sie. „Über mich?“
Bobbie schob sie und Liam weiter in den Raum. „So, da sind die beiden“, verkündete sie.
Während alle begeistert applaudierten, erschien ein Kellner und servierte Champagner. Die Gäste drängten sich um Sam und Liam, um ihnen zu gratulieren und mit ihnen auf ihr Glück anzustoßen.
„Hast du nicht etwas von einem ruhigen Mittagessen gesagt?“, beschwerte Sam sich leise bei Bobbie.
Ihre Schwester schien jedoch gar nicht zuzuhören, sondern starrte zur Tür.
„Was ist denn?“, fragte Sam.
„Unsere Großeltern sind da!“, rief Bobbie freudig aus und eilte zu Ruth und Grant Reynolds, die mit Ruths Neffen Saul Crighton, dessen Frau Tullah sowie ihren Kindern den Raum betraten.
„Ich kann es kaum glauben“, flüsterte Sam Liam zu. „Jetzt fehlt nur noch, dass Mom und Dad auftauchen.“
„Das werden sie wohl nicht“, antwortete er. „Ich schätze, wir sollten zu deinen Großeltern gehen und ihnen ebenfalls unser Märchen auftischen. Genauer gesagt, ich sollte es tun.“
Überrascht sah Sam ihn an. Er klang plötzlich unsicher, fast ein wenig nervös, und schaute verlegen zu der Gruppe an der Tür hinüber. Statt selbstsicher wie sonst wirkte er nahezu jungenhaft, und spontan legte Sam ihm beruhigend die Hand auf den Arm.
„Gran wird es verstehen“, sagte sie zu ihm. „Schließlich haben sie und Gramps …“
Abrupt brach sie ab. Was war los mit ihr? Einen Moment lang hatte sie sich gefühlt, als wären sie wirklich frisch verliebt und verlobt und als würde das große Interesse an ihrer Liebe sie ein wenig ängstigen. Aber es war zu spät,
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