JULIA FESTIVAL EXTRA Band 06
hätte ich mein halbes Leben dort verbracht. Mum hat immer gesagt, dass die Cooke-Gene an all meinen Blutergüssen und Schrammen schuld sind. Angeblich ist sie ohne den kleinsten Kratzer aufgewachsen. Na ja, ich schätze, ich war immer ein bisschen wild“, gab sie verlegen zu.
Dann strahlte sie und hakte sich bei ihrem Vater ein. „Du wirst dich an solche Besuche gewöhnen müssen, wenn du und Katie den Kleinen bekommt. Wie geht es Katie? Ist sie mitgekommen?“
Mitgekommen?
„Nein, warum sollte sie?“, fragte Seb schärfer als beabsichtigt.
„Nur so“, besänftigte Charlotte ihn rasch. „Ich hatte nur gehofft … na ja, ich hatte gedacht, dass es nett wäre, sie wiederzusehen.“
Normalerweise wäre Seb ihrem fast mütterlichen Drängen locker ausgewichen, aber heute traf es bei ihm einen wunden Punkt. Die vergangene Nacht war nicht spurlos an ihm vorübergegangen, und jetzt brauchte er nur ihren Namen zu hören, und schon sah er Katie vor sich.
Mit nicht mehr als diesem verdammten Handtuch bekleidet. Mit Lippen, die von seinem Kuss gerötet waren. Mit Fingern, die vor Erregung zitterten, als sie ihn berührte … Katie …
„Dad, wo bist du mit deinen Gedanken?“
Er zuckte zusammen und sah Charlotte stirnrunzelnd an. „Bist du sicher, dass es dir gut genug geht, um entlassen zu werden?“
„Frag den Arzt, wenn du mir nicht glaubst“, erwiderte sie schnippisch.
Während der nächsten Stunde sprach Seb mit dem Dienst habenden Arzt, dem Personal an der Aufnahme und dem Spezialisten, der Charlotte untersucht hatte. Erst danach war er überzeugt, dass seine Tochter wirklich unversehrt war.
„Dad, du bist überfürsorglich. Richtig altmodisch“, beschwerte sie sich, als sie das Krankenhaus verließen.
„Ich bin dein Vater“, entgegnete Seb streng und sah sie erstaunt an, als sie stehen blieb und ihn umarmte.
„Ich weiß“, antwortete sie. „Aber wenn ich irgendwann einmal einen Mann kennenlerne … den Mann, Dad“, betonte sie mit leicht geröteten Wangen, „dann werde ich dir das bestimmt nicht erzählen. Na ja, vielleicht doch. Aber erst hinterher.“ Ihre Röte vertiefte sich. „Du würdest ihn nur verschrecken.“
„Gut“, gab er mit einem grimmigen Lächeln zurück. Ihre Worte ließen ihn an etwas denken, worüber er gewiss nicht mir ihr reden würde.
Sie hatten von einem Mann – „dem Mann“ – gesprochen und damit eindeutig den Mann gemeint, mit dem sie das erste Mal schlafen würde. Für Charlotte und ihre Altersgenossinnen war Sex etwas, mit dem man verantwortungsbewusst, vorsichtig und respektvoll umgehen musste.
Er war Katies erster Liebhaber gewesen. Was würde Jon Crighton von ihm halten, wenn er das wüsste? Jon würde seine Tochter nicht weniger lieben, als er Charlotte liebte, und Jon glaubte, dass er und Kate ein Paar waren.
Würde er jetzt aus Katies Leben verschwinden, was würde Jon Crighton von ihm denken? Würde Katies Vater glauben, dass er sie nur benutzt und dann verlassen hatte? Würde Jon ihm nicht vorwerfen können, dass er so schlimm war wie der schlimmste seiner Cooke-Vorfahren? Würden die Crightons ihn mit denen in einen Topf werfen, als Mann ohne Moral sehen, ohne edle Gefühle?
„Dad! Dad!“ Plötzlich merkte er, dass Charlotte mit ihm sprach. „Dad, bist du okay?“, fragte sie besorgt. „Du warst wieder meilenweit entfernt.“
„Ich habe nur gerade an etwas gedacht“, antwortete Seb schnell.
„An etwas oder an jemanden?“, fragte Katie und strahlte über das ganze Gesicht, als er nicht sofort widersprach.
„Ich wusste es“, rief sie überschwänglich. „Es ist Katie, nicht wahr? Du liebst sie, stimmt’s, Dad?“ Sie umarmte ihn begeistert. „Aber erwarte bitte nicht, dass ich als Brautjungfer ein pinkfarbenes Tüllkleid tragen werde.“ Charlotte verzog das Gesicht. „Andererseits, ich weiß, Katie hat einen viel zu guten Geschmack, um mich in etwas so Schreckliches zu stecken.“
„Du gackerst über ungelegte Eier“, tadelte Seb sie liebevoll und wechselte das Thema. „Komm schon, wir bringen dich jetzt zurück nach Manchester.“
„Nach Manchester? Niemals!“, verkündete Charlotte. „Meine Klassenfahrt ist noch nicht vorbei.“
Sie diskutierten noch ein paar Minuten, aber am Ende gab Seb nach und verzichtete darauf, sie ins Internat zu bringen.
„Ich bin jetzt erwachsen, Dad“, sagte sie. „Und selbst wenn ich das nicht wäre, würde ich es toll finden, dass du so besorgt um mich bist. Aber manchmal muss man
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