JULIA FESTIVAL EXTRA Band 06
wiedererkennen und …“
„Honor“, unterbrach er sie sanft, und dieses Mal sah sie ihn an. Ihre Miene verriet tiefe Verunsicherung, als sie in seinem Gesicht nach einem Hinweis darauf suchte, was er sagen würde. „So kann es nicht weitergehen“, erklärte er in rauem Ton. „Ich darf mich hier nicht wie ein Einsiedler verstecken und von dir erwarten, dass du das mitmachst.“
„Du hast es dir anders überlegt. Du willst gehen.“ Ihre Stimme klang ruhig, aber ihr Gesicht war weiß wie eine Wand.
Seit er seine Familie und seine Heimat verlassen hatte, hatte es immer wieder Momente gegeben, in denen er sich schämte, verachtete, ja sogar hasste. Aber nie hatte er sich so schäbig gefühlt wie jetzt. Er tat Honor weh, er tat ihr sehr weh, und das war das Letzte, was er wollte.
Er sah, wie sie schluckte.
„Würde es einen Unterschied machen, wenn ich dir sagte, dass ich bereit bin, dich zu begleiten?“, hörte er sie sagen und traute seinen Ohren nicht. „Das könnte ich, weißt du. Schließlich gibt es nichts, was mich hier hält. Nichts, was …“
„Aber du liebst dieses Haus. Das hast du oft genug gesagt.“
„Ich liebe es, ja“, gab sie ihm recht und wandte sich ab, doch er brauchte ihr nicht ins Gesicht zu sehen, denn ihre Stimme verriet ihm, dass sie die Wahrheit sagte. „Aber dich liebe ich mehr.“
„Würdest du das wirklich für mich tun?“, fragte er.
„Ja“, erwiderte sie nur.
„Dann bist du naiv“, entgegnete er scharf. „Begreifst du denn nicht, was geschehen würde, wenn ich das zulassen, wenn ich dich mitnehmen würde? Wir würden wie zwei Flüchtlinge leben, wie zwei Ausgestoßene. Wir wären dauernd auf der Flucht, voller Angst, entdeckt zu werden. Und diese Angst würde irgendwann töten, was wir füreinander empfinden. Nein. Außerdem …“, fuhr er mit zitternder Stimme fort, „außerdem habe ich eine bessere Idee.“
Sie stand vor ihm wie jemand, der einen Schlag abwehren wollte, und am liebsten hätte er sie in die schützende Obhut seiner Arme gezogen, sie festgehalten, ja, sie geliebt, aber er durfte es nicht. Nicht jetzt … noch nicht.
„Ich kann dir ein solches Leben nicht zumuten, Honor. Du verdienst mehr als das. Du verdienst etwas Besseres. Du brauchst einen Mann, mit dem du dich offen an deiner Seite zeigen kannst. Eine Beziehung, die alle Welt akzeptieren kann. Nein, Honor, ich habe mich entschieden.“
Honor hielt den Atem an. Es tat so weh. Sie ertrug es nicht, ihn zu verlieren, nicht jetzt. Aber gegen seinen Willen konnte sie ihn nicht halten.
„Ich werde Jon anrufen und ihm erzählen, dass ich zurück bin. Und ich werde ihn fragen, ob er mich sehen will, mit mir reden will“, erklärte er entschieden.
Honor starrte ihn an, ihre Augen strahlten.
„Sieh mich nicht so an“, bat David mit belegter Stimme und stöhnte leise auf, als er der Versuchung nachgab und die Arme nach ihr ausstreckte. „Komm her, und lass mich … Oh, Honor!“
Er spürte, wie sie erbebte, als er sie voller Verlangen küsste. Ungestüm umarmten sie einander. Mit einer Hand umschloss er ihre Brust, die so warm und schon so vertraut war.
Als sie miteinander schliefen, taten sie es gierig, verzweifelt und so, als wüssten sie, dass sie die letzten Barrieren zwischen ihnen eingerissen hatten und es kein Zurück mehr gab. Was sie hatten, war keine Bekanntschaft mehr, keine Affäre, kein Abenteuer, sondern eine ernsthafte Beziehung. Und sie waren sich beide bewusst, wie tief und intensiv ihre Gefühle füreinander waren.
„Hättest du das wirklich für mich getan? Dieses Haus aufgegeben?“, flüsterte David an Honors Lippen, während er sie küsste.
„Alles – wirklich alles – hätte ich für dich aufgegeben“, erwiderte Honor überschwänglich.
„Es wird nicht leicht“, warnte David später, als sie neben ihm lag und die Nachmittagssonne die erregenden Kurven ihres Körpers in goldenes Licht tauchte. Sie besaß die Figur einer Frau, nicht die eines Mädchens, und sie war kein bisschen eitel, sondern lachte nur leise, als er ihr sagte, wie schön er sie fand.
„Die Natur ist sehr weise“, antwortete sie trocken. „Je mehr Falten sie uns gibt, desto schwerer macht sie es uns, sie zu erkennen!“
„Bitte nimm zur Kenntnis, dass meine Sehschärfe vollkommen ungetrübt ist“, entgegnete David mit gespielter Entrüstung.
„Tatsächlich?“ Sie lächelte. „So ungetrübt, dass du die Zeitung heute Morgen fast zwei Handbreit von deiner Nasenspitze entfernt
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