Julia Gold Band 51
Augen blitzten auf. Aber er leugnete es natürlich nicht. „Die Heirat mit Aisha hat mir immer gedroht, Evie. Das hast du gewusst“, antwortete er ruhig. „Ich habe nie versucht, es vor dir zu verbergen.“
„Bis gestern Abend“, entgegnete sie bitter.
„Bist du deshalb heute Morgen mit dem Marquis davongelaufen? Weil du irgendein Gerücht gehört hast, das vielleicht zutrifft, vielleicht aber auch nicht?“
Er stritt es aber auch nicht ab. „Ich bin davongelaufen, weil ich einer weiteren hässlichen Szene mit dir aus dem Weg gehen wollte.“
Raschid seufzte und wirkte plötzlich genauso müde wie sie. „Aber wir müssen darüber reden, Evie, das weißt du.“
Oh ja, sie wusste es. Aber wenn Raschid von „reden“ sprach, meinte er eigentlich „befehlen“, und sie, Evie, sollte gehorchen. „Ich brauche Zeit, um mich zu entscheiden, was ich tun will“, sagte sie leise.
„Zeit habe ich nicht“, erwiderte er scharf.
„Weil dein Vater dir ein Ultimatum gestellt hat?“
Er zuckte die Schultern. „Da ich dich heiraten werde, hat sich die Frage, ob ich eine andere heirate, jetzt wohl erübrigt.“
In Anbetracht seines Ranges und seiner Stellung war Evie sich da nicht so sicher.
Evie wandte sich ab und ging wieder in die Küche, um den elektrischen Wasserkessel einzustöpseln. Sie spürte, wie Raschid sie forschend beobachtete. Vermutlich wollte er abschätzen, was in ihr vorging. Aber es bedurfte keines besonderen Scharfsinns, ihn erkennen zu lassen, dass sie diese Lösung trotz seiner wiederholten Rede von Heirat immer noch nicht als die nächstliegende akzeptierte.
„Es heißt, dein Vater sei wieder krank“, stellte sie fest, wobei sie die Dose mit Raschids Lieblingstee aus dem Schrank holte.
„Er muss sich einer Herzoperation unterziehen“, bestätigte Raschid. „Aber er weigert sich, dies zu tun, bevor ich nicht sicher verheiratet und offiziell als sein Nachfolger eingesetzt bin.“
„Was nicht möglich ist, wenn du mich heiratest.“
„Ich müsste lügen, wenn ich behauptete, man wird begeistert sein“, räumte Raschid ernst ein. „Aber mit der Zeit wird man sich an den Gedanken gewöhnen. Wir alle“, fügte er hinzu.
Mit anderen Worten, ich auch, dachte Evie. Sie stellte die Teekanne zurecht, eine kleine Silberkanne, die Asim ihr vor einem Jahr geschenkt hatte, als sie ihn überredet hatte, ihr die Zubereitung des Minzetees nach traditionell arabischer Art zu zeigen. Das Geschenk war eine nette, freundliche Geste gewesen. Aber selbst Asim, der sie sicherlich mochte, würde vor Entsetzen erstarren, wenn sein Herr und Meister sie tatsächlich heiraten würde.
„Ich werde dich nicht heiraten, Raschid“, sagte sie und löffelte die hellgrünen Teeblätter in die Kanne. „Es wäre falsch für mich und eine Katastrophe für dich.“
„Was meinst du mit Katastrophe?“
Evie seufzte. „Die Stabilität deines Landes basiert auf seinen muslimischen Wurzeln. Deine Heirat mit einer Christin würde diese Wurzeln schwächen. Genau deshalb hat ja die entfernte Cousine während der ganzen Zeit, die wir zusammen waren, immer im Hintergrund gedroht.“
Raschid stritt es nicht ab, und Evie hätte am liebsten geweint. „Und nun erkläre mir bitte, warum es für dich falsch wäre.“
Sie atmete tief ein. „Du würdest mich ersticken. Die ganze Situation würde mich ersticken. Einer muslimischen Ehefrau werden erhebliche Einschränkungen auferlegt – schon gar einer, die man missbilligt, wie es bei mir der Fall wäre. Ich könnte so nicht leben.“
„Und was ist mit dem Kind? Was würde mit ihm geschehen, während du dich vor einer einengenden Ehe und mein Land vor dem Zusammenbruch schützt?“, fragte Raschid gereizt. Ihre Darlegung gefiel ihm offensichtlich nicht, aber er konnte keine bessere vorweisen.
„Vielleicht ist es kein Er, sondern eine Sie“, gab sie lächelnd zu bedenken. „Was kein so großes Problem wäre, oder?“
„Wir sind keine Barbaren, Evie“, erwiderte er scharf.
„Freut mich zu hören.“ Sie goss das kochende Wasser in die Teekanne. „Sag, was würde dein Volk davon halten, dass nach unserer möglichen Heirat ein zur Hälfte englischer Junge vielleicht dein Erbe wäre?“
„Er wird mein Erbe sein, ob wir heiraten oder nicht“, sagte Raschid so heftig, dass Evie entsetzt herumfuhr.
„Nein, Raschid!“, protestierte sie. „Du …“
„Pass auf!“, rief er warnend.
Doch es war zu spät. Evie schrie auf, als ein furchtbarer Schmerz sie
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