Julia Gold Band 53
zu erfahren, warum ich hier bin“, beharrte Rose.
„Das wissen Sie doch. Sie sind in Ras al Hajar, um sich zu entspannen und zu erholen. Und hier oben in den Bergen können Sie das auf sehr viel angenehmere Weise tun als in der Stadt. Hier ist es kühler, die Luft trockener. Sie können reiten, im Fluss schwimmen und sonnenbaden. Das Essen ist gut, unsere Gastfreundschaft sprichwörtlich.“ Er hielt ihr eine kunstvoll gearbeitete Silberschale hin. „Kosten Sie diese Datteln. Sie schmecken köstlich.“
Empört sprang sie auf und schlug ihm die Schale aus der Hand, sodass die Datteln kreuz und quer durchs Zelt flogen. „Zum Teufel mit Ihren Datteln!“ Aufgebracht stürmte sie aus dem Zelt in die Dunkelheit hinaus.
Der Abgang war eindrucksvoll, aber vergeblich. Draußen gab es nur Dunkelheit und Wüste. Doch sie dachte nicht daran, ins Zelt zurückzukehren.
Ihr wurde bewusst, dass Hassans Männer, die abseits vom Zelt um ein Lagerfeuer versammelt saßen, aufgehört hatten, sich zu unterhalten. Wachsam verfolgten sie, was sie tun würde. Rose ging zum Landrover, um die Tür zu öffnen. Sie war unverschlossen.
Als Rose sich auf den Fahrersitz schwang, rutschte ihr der Seidenschal vom Kopf, und sie fröstelte. Hassan hatte recht. Es war kühl im Lager. „Hier oben“, hatte er gesagt. Also mussten sie in der Nähe der Berge und der Grenze sein. Rose versuchte, sich die Landkarte ins Gedächtnis zu rufen. Sie mussten sich kilometerweit von der Straße entfernt befinden, und Rose hatte keine Ahnung, wohin diese führte. Nach Norden? Ja, sie war sicher, dass sie nördlich verlief. Wenn sie sich am Polarstern orientierte, musste sie irgendwann an die Küste kommen. Vielleicht.
Leider steckten die Schlüssel nicht im Zündschloss. So einfach war das Leben nicht. Auch gut. Rose zog die Kabel heraus und hielt die Pole aneinander. Der Motor sprang so laut an, dass sie ebenso zusammenzuckte wie die Männer am Lagerfeuer, die sie bis jetzt grinsend beobachtet hatten.
Blitzschnell sprangen sie auf und kamen angerannt. Dennoch wären sie um Sekunden zu spät gekommen, wenn Hassan nicht schneller gewesen wäre. Während Rose den Rückwärtsgang einlegte, riss Hassan die Tür auf, hob sie vom Sitz, und der Landrover blieb stehen. Wie ein Bündel trug Hassan sie unter dem Arm zum Zelt zurück.
Diesmal schrie sie. Sie schrie und schrie und hätte wild um sich geschlagen, wenn ihre Arme nicht gefangen gewesen wären. So konnte sie nur hilflos die Hände bewegen, was er nicht einmal zu merken schien.
„Lassen Sie mich los!“, befahl sie und versuchte mit beiden Händen, seinen Arm wegzureißen, den er ihr um die Taille gelegt hatte.
„Und wenn ich es tue? Wohin würden Sie laufen?“ Er setzte sie im Zelt zwischen den verstreuten Datteln ab und umfasste ihre Handgelenke, damit sie nicht auf ihn einschlagen konnte. „Hören Sie auf, sich wie ein Dummkopf zu benehmen, und sagen Sie mir lieber, was Sie vorhatten.“ Sie hatte keinen Plan gehabt. Das musste Hassan auch wissen. „Kommen Sie, zieren Sie sich nicht, Miss Fenton. Es passt nicht zu Ihnen, Ihre Gedanken für sich zu behalten. Sehr geschickt von Ihnen, den Landrover kurzzuschließen. Dazu gehört Mut. Aber was dann? Wohin wollten Sie fliehen?“ Rose antwortete nicht. „Wie bitte? Sie haben nichts zu sagen? Sie bleiben doch sonst keine Antwort schuldig.“
Beharrlich schwieg sie.
„Ich frage nur aus praktischen Überlegungen, Miss Fenton.“ Sie waren also wieder beim sarkastischen „Miss Fenton“ angekommen. „Ich möchte wissen, was Sie vorhaben, damit wir im unwahrscheinlichen Fall, dass es Ihnen gelingt, aus dem Lager zu fliehen, eine Chance haben, Sie zu finden, ehe die Sonne Ihre Gebeine bleicht …“
„Also gut. Ich mag ein Dummkopf sein, aber wie steht’s mit Ihnen, Hassan?“ Rose hatte aufgehört, sich zu wehren, weil sie merkte, dass sie gegen ihn nichts ausrichten konnte. „Sie sind ein gebildeter Mann und wissen genau, dass Sie etwas Ungesetzliches tun. Dass Sie nicht mal hier, wo sie offenbar ein echter altmodischer Kriegsherr sind, ein Recht dazu haben.“
„Wozu?“ Hassan zog sie unvermittelt an sich, sodass sein Gesicht ihrem ganz nah war und sie das zornige Funkeln in seinen grauen Augen sehen konnte. „Was, glauben Sie, habe ich mit Ihnen vor?“
Jetzt saß sie in der Klemme, doch sie gab nicht auf. „Was denken Sie denn, was ich glaube, Euer Hochwohlgeboren?“ Sarkastisch konnte sie auch sein. „Sie haben mich gefangen
Weitere Kostenlose Bücher