Julia James
lebten, waren ausgefallene Wagen nichts Besonderes. Dieses Modell jedoch war ein wahrer Rennwagen, der gut und gern an jedem Autorennen hätte teilnehmen können.
Sie durfte nicht stehen bleiben, sie musste weitergehen.
"Señorita?" fragte der Mann leise.
Seine Stimme kam ihr irgendwie bekannt vor. Zögernd blieb Rosalind stehen.
Es war der Fremde aus dem Kasino, der Mann, der zu Yuri Rostrov gekommen und ihr aufgefallen war, weil er so fantastisch aussah. Und der sie offenbar als Flittchen eingestuft hatte.
Jetzt sprach er sie an, auf der einsamen Landstraße, sechs Kilometer von der Stadt entfernt, um ein Uhr morgens.
Vorsicht, mahnte eine kleine innere Stimme. Rosalind beschloss, den Fremden zu ignorieren.
"Kann ich Sie mitnehmen?"
Sein ironischer Ton irritierte sie. Ihm musste doch klar sein, dass eine Frau, die im Abendkleid ohne Schuhe nachts allein eine Hauptstraße entlanglief, nicht zum Vergnügen unterwegs war oder um etwas für die Gesundheit zu tun.
"Nein danke", erwiderte sie deshalb kurz angebunden und ging weiter.
Der Mann folgte ihr. Er legte Rosalind die Hand auf den Arm, um sie aufzuhalten. "Reden Sie keinen Unsinn." Seine Stimme klang leicht vorwurfsvoll und belustigt zugleich.
"Nehmen Sie die Hand weg, sonst machen Sie Bekanntschaft mit den Absätzen meiner Schuhe", stieß Rosalind hervor.
Sogleich ließ er sie los und hob die Hände. "Sie brauchen nicht gleich in Panik zu geraten", versuchte er, sie zu beschwichtigen. "Wenn Sie so ganz allein unterwegs sind, müssen Sie damit rechnen, überfallen zu werden. Falls Sie in die Stadt wollen, kann ich Sie mitnehmen."
Rosalind drehte sich um. "Warum würden Sie das tun?" fragte sie angriffslustig. Als sie ihn genauer betrachtete, kribbelte ihr die Haut. Der Mann sah wirklich fantastisch aus. Attraktive Männer gab es hier genug, doch dieser hier beeindruckte sie so sehr wie kein anderer zuvor. Bisher hatte sie nur gelächelt, wenn andere Frauen von den spanischen Männern schwärmten. Aber dieser Mann brachte sie auf alle möglichen Gedanken.
Er lächelte ironisch. Was immer er von der jungen Frau hielt, er konnte sie hier nicht allein zurücklassen. "Sagen wir es so: Es wäre nicht gut für den Ruf des Kasinos, wenn man Sie morgen früh vergewaltigt oder ermordet auffinden würde. Dann würde man nachforschen, wo Sie sich heute Abend aufgehalten haben, und so viel Aufsehen wäre nicht nach meinem Geschmack."
Rosalind versteifte sich. "Woher wissen Sie, dass ich im Kasino war?" Der Mann konnte nicht bemerkt haben, dass er ihr aufgefallen war. Er hatte sich nur um Yuri Rostrov gekümmert und seine Begleiterinnen nicht beachtet.
Er zuckte die Schultern. "Woher sollten Sie sonst kommen? Hier draußen gibt es nichts anderes, was für eine Frau wie Sie interessant sein könnte." Seine raue Stimme ließ Rosalind erbeben. "Außerdem erkenne ich Sie wieder", fügte er schärfer hinzu. "Warum sind Sie nicht mit den Leuten gefahren, mit denen Sie gekommen sind? Die Limousine war doch groß genug. Oder wollte man Sie nicht mitnehmen? Hatte man genug von Ihnen?"
Ihr schauderte, als ihr bewusst wurde, was hätte passieren können, wenn sie mit Yuri Rostrov und seinen Leuten in den Wagen gestiegen wäre.
"Ich wollte nicht mitfahren", erklärte sie hitzig.
Der Fremde ließ die Finger leicht über ihren bloßen Nacken gleiten. "Sie waren nicht nach Ihrem Geschmack, Señorita, oder?" fragte er leise.
Die seltsamsten Gefühle stiegen in ihr auf. "Rühren Sie mich nicht an!" Sie wich zurück und hielt die Schuhe drohend vor sich. "Hören Sie, Sie Hausdetektiv oder wer oder was immer Sie sind, lassen Sie mich in Ruhe! Ich bin müde und habe noch einen langen Weg nach Hause vor mir. Fahren Sie weiter!"
Sie drehte sich um und wollte weitergehen, doch in dem Moment trat sie auf einen spitzen Stein und schrie leise auf. Sogleich war der Mann neben ihr.
"Sie werden sich die Füße wund laufen", warnte er sie. "Wenn Sie auch nur einen Funken Verstand besitzen, nehmen Sie mein Angebot an, Sie in die Stadt mitzunehmen. Glauben Sie mir", fügte er eindringlich hinzu, "bei mir sind Sie sicherer, als wenn Sie hier mutterseelenallein durch die Nacht laufen. Nicht jeder, der wegen einer schönen Frau anhält, handelt so uneigennützig wie ich, Señorita. Außerdem dürfte kaum jemand einen schnelleren Wagen haben als ich."
Rosalind blickte kurz zu dem schnittigen Sportwagen, der am Straßenrand stand und wie ein sprungbereiter Panther aussah. "Na gut. Sie haben
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