Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 04
den angrenzenden Raum, in dem etliche Möbel abgestellt worden waren, soweit sie das im Licht der Taschenlampe erkennen konnte. Durch ein Loch in einer Ecke des Daches zog kalte Luft herein und Schnee wehte auf den Fliesenboden.
Schräg gegenüber ging es in einen Flur. Ein paar Meter den Gang hinunter blieb Arash stehen und öffnete eine der Türen.
Als Erstes fiel Lanas Blick auf einen Eimer, doch dann bemerkte sie zu ihrer Erleichterung die typische Toilette der Parvani, das bereits vertraute weiße Viereck aus Emaille auf dem Boden, mit dem Loch in der Mitte und den zwei fußförmigen Vertiefungen zu den Seiten.
Darüber hing ein Becken mit einer Kette, aber Arash erklärte: „Die Wasserzufuhr ist zerstört. Du musst mit dem Wasser im Eimer spülen.“
Dann reichte er ihr die Taschenlampe und ging.
Es war nicht einfach, mit Hose, Leggings, einer Jeans und einer Jogginghose eine Parvani-Toilette zu benutzen. Aber die eisige Kälte trieb Lana zur Eile an, und sie war froh, als sie wieder im Warmen war.
Das Feuer war etwas niedriger geworden und gab keinen Rauch mehr ab. Die Kohlenpfanne stand in der Nähe des Tischs. Der Teppich, der vor dem Türrahmen hing, war heruntergelassen worden, um die Wärme im Raum zu halten. Arash hatte seine Jacke aufgehängt und seine Stiefel ausgezogen. Er füllte einen Kessel, als Lana hereinkam, und stellte ihn über die Kohlenpfanne.
Sie trat an den Garderobenständer und zog Jacke, Schal und Stiefel aus. Erleichtert streckte sie sich.
„O das ist besser!“
Ein riesiger Sack Reis lehnte an dem Sideboard. Arash holte hoch oben von einem Regal einen Kochtopf herunter, begann Reis und Wasser hineinzufüllen, gab eine Prise Salz hinein und stellte den Topf neben den Kessel.
Eine solche Kohlenpfanne war ein Wunderwerk der Technik, wie Lana begriffen hatte, seit sie in Parvan zu Besuch war. Sie konnten ihr Essen darauf zubereiten und bezogen ihre Wärme davon. Weil sie Kohle benutzten, gab es wenig Rauch.
Diese hier war zudem noch schön anzusehen. Das aufwendige, handgearbeitete Muster, das sie verzierte, bedeutete vermutlich, dass das Stück sich schon seit Generationen in der Familie befand. Wenn ein Scheich so etwas von einem der besten Handwerker hatte anfertigen lassen, wollten auch die Nachkommen es nicht vorschnell ersetzen.
Lana riss sich aus ihren Gedanken und ließ sich auf die Kissen am Tisch sinken. Es war seltsam, Arash in seinem Haus zu erleben. Im Gegensatz zu den anderen Tafelgefährten, deren familiären Hintergrund sie kannte, war ihr von Arash nur wenig bekannt.
„Bist du hier geboren?“, fragte sie, nachdem er die Töpfe auf der Kohlenpfanne zurechtgerückt hatte und sich entspannt in die Kissen zurücklehnte. Wie immer saß er da und hatte das rechte Bein von sich gestreckt.
„Ja“, antwortete er.
„In diesem Haus?“, wollte sie wissen.
Er nahm zwei Stücke naan , die sie auf den Tisch gelegt hatte, und legte sie auf die Handgriffe der Kohlenpfanne, damit sie warm wurden.
„Wo sonst?“ Er schaute sie an. „Dies ist das Haus meiner Familie, und es ist seit vielen Generationen in ihrem Besitz. Meine Vorfahren sind hier geboren und wenn Gott will, wird auch mein Sohn hier geboren werden.“
Ein leichtes Unbehagen befiel sie bei diesen Worten.
„Und wo wird deine Tochter geboren werden?“, entgegnete sie trocken, und erst als sie die Frage ausgesprochen hatte, wurde ihr klar, das war nicht das, was sie hatte sagen wollen.
Er schaute ihr offen ins Gesicht. „Ich sprach von meinem Sohn, weil ich an das Erbe dachte. Er wird dieses Haus bekommen und Scheich des Stammes von Aram werden. Wenn Gott will, werde ich viele Söhne und Töchter bekommen. Aber mein ältester Sohn muss das Erbe antreten.“
„Und was machst du, wenn du keinen Sohn bekommst?“
Sie wusste selbst nicht, warum sie versuchte, ihn herauszufordern. Vielleicht war es das, wovor sie sich gefürchtet hatte und weshalb sie nicht mit ihm allein sein wollte. Unterdrückter Zorn keimte in ihr auf.
Lana war gleich nach den Schrecken des Krieges in Parvan angekommen. Sie war erschüttert gewesen von dem, was sie sah, und hatte das Geld ihres Vaters wie Balsam auf Wunden in dem geschundenen Land verteilt. Natürlich hatte sie sich auch gefreut, Arash wiederzusehen. Zum Glück hatte er den Krieg überlebt.
Aber als sie versuchte, ihm das zu sagen, hatte er sie fast schon angeschaut, als erinnerte er sich nicht mal mehr an sie.
Als ob ihr das etwas ausmachte! Arash war
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