Julia Quinn
Gewissen mit voller Stärke
arbeitete.
»Ich kann nicht zulassen, dass
Perriwick mich sieht«, sagte sie aufgeregt.
»Er ist doch bloß der Butler«,
erwiderte Blake, sich der Tatsache wohl bewusst, dass es ihr darum nicht ging,
aber ein wenig zu enttäuscht, um sich darum zu kümmern.
»Er ist mein Freund. Und seine
Meinung über mich ist wichtig.«
»Für wen?«
»Für mich, du Dummkopf.« Sie
versuchte so überhastet, ihre Kleidung wieder in Ordnung zu bringen, dass es
ihr nicht gelang, die Knöpfe durch die Knopflöcher zu stecken.
»Hier«, sagte Blake und versetzte
ihr einen sanften Schubs. »Ab mit dir ins Ankleidezimmer.«
Caroline eilte zu der Tür des
angrenzenden Raums; sich in letzter Sekunde ihrer Schuhe entsinnend, bückte sie
sich und hob sie im Laufen auf. Sobald
die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, hörte sie Blake die Tür zu seinem
Zimmer aufreißen und sich reichlich barsch bei seinem Butler erkundigen: »Was
wollen Sie, Perriwick?«
»Wenn ich mir die Unverschämtheit
herausnehmen darf, Sir ...«
»Perriwick.« Blakes Ton enthielt
eine unverkennbare Drohung.
Caroline begann sich ernsthafte
Sorgen um die Sicherheit des Butlers zu machen und hoffte, er käme so rasch wie
möglich auf den Punkt. Wenn er so weitermachte, würde Blake ihn über kurz
oder lang aus dem Fenster werfen.
»In Ordnung, Sir. Es geht um Miss
Trent. Ich kann sie nirgendwo finden.«
»Es war mir bisher entgangen, dass
Miss Trent Sie über ihren Aufenthaltsort auf dem Laufenden halten muss.«
»Nein, natürlich nicht, Mr.
Ravenscroft, aber ich habe dies hier oben an der Treppe gefunden, und ...«
Caroline lehnte sich unwillkürlich
dichter an die Tür und fragte sich, was »dies« sein könnte.
»Das ist ihr sicherlich bloß
heruntergefallen«, sagte Blake. »Frauen verlieren doch andauernd ihre
Haarbänder.«
Rasch hob sie die Hand und betastete
ihre Frisur. Wann hatte sie ihr Haarband verloren? War Blake mit seinen Fingern durch ihr Haar gefahren, als er sie im Flur draußen geküsst hatte?
»Das ist mir bewusst«, antwortete
Perriwick, »aber ich mache mir trotzdem Sorgen. Wenn ich wüsste, wo sie ist,
wäre ich beruhigt.«
»Wie der Zufall es will«, erklang
Blakes Stimme, »weiß ich genau, wo Miss Trent ist.«
Caroline keuchte auf. Er konnte sie
doch gewiss nicht verraten, oder?
»Sie hat sich entschlossen, das
schöne Wetter zu nutzen«, fuhr Blake fort, »und ist zu einem Spaziergang über
den Besitz aufgebrochen.«
»Aber ich dachte, Sie hätten gesagt,
ihr Aufenthalt in Seacrest Manor sollte nicht bekannt werden.«
»Das stimmt, allerdings heißt das
nicht, dass sie nicht nach draußen gehen darf, solange sie sich nicht zu weit
vom Haus entfernt. Hier kommen nicht oft Kutschen oder andere Gefährte vorbei.
Es ist unwahrscheinlich, dass jemand sie sieht.«
»Ich verstehe. Dann werde ich
draußen nach ihr Ausschau halten. Vielleicht würde sie gerne etwas essen,
wenn sie zurückkommt.«
»Ich bin überzeugt, dass sie das
lieber als alles andere tun würde.«
Caroline legte sich eine Hand auf
den Magen. Sie war wirklich ein wenig hungrig. Und um ganz ehrlich zu sein,
klang ein Spaziergang am Strand wirklich verlockend. Genau das Richtige, um
wieder einen klaren Kopf zu bekommen, denn der ihre hatte, weiß Gott, Klärung
nötig.
Sie machte einen Schritt von der Tür
fort, und Blakes und Perriwicks Stimmen wurden leiser. Da fiel ihr in der
gegenüberliegenden Wand des Zimmers, das als Ankleideund Waschkabinett
diente, eine weitere Tür auf. Sie drückte probehalber die Klinke nach unten und
war angenehm überrascht, dass die Tür sich öffnen ließ und zu einer Seitentreppe führte, die wohl gewöhnlich von Dienstboten benutzt wurde. Sie blickte
über die Schulter zu Blake, auch wenn sie ihn natürlich gar nicht sehen konnte.
Er hatte gesagt, sie könnte einen
Spaziergang machen, auch wenn er sich alles nur ausgedacht hatte, um den armen
Perriwick in die Irre zu führen. Caroline sah keinen Grund, nicht einfach
loszugehen und genau das zu tun.
Innerhalb weniger Sekunden war sie
die Treppe hinuntergelaufen und stand draußen. Eine Minute später war sie
außer Sichtweite des Hauses und schlenderte an den Klippen entlang, die sich
über dem blaugrauen Ärmelkanal erhoben. Die Seeluft war belebend, aber nicht
halb so sehr wie die Vorstellung von Blakes Gesichtsausdruck, wenn er in den
Ankleideraum spähte und entdecken musste, dass sie nicht mehr dort war.
Zum Kuckuck mit dem Mann. Ihm
Weitere Kostenlose Bücher