Julia Quinn
würde
ein wenig Durcheinander in seinem Leben nur gut tun.
14. KAPITEL
af/fek/tiert (Adjektiv). Gekünstelt, geziert,
aufgesetzt (wird abwertend gebraucht).
Ich musste zur Kenntnis nehmen, dass
ich, wenn ich aufgeregt bin, dazu neige, zu stottern oder affektiert zu blinzeln.
Aus dem persönlichen Wörterbuch von Caroline Trent
Eine Stunde später fühlte sich Caroline
ziemlich erfrischt – oder wenigstens war ihr Körper das. Die kühle, salzige
Luft besaß eine bemerkenswert stärkende Wirkung auf die Lungen.
Unglücklicherweise erstreckte sich diese Wirkung nicht auch auf Herz und
Verstand.
Liebte sie Blake Ravenscroft nun
oder nicht? Sie hoffte es auf jeden Fall. Denn sie mochte sich nicht
vorstellen, dass sie sich derart leichtfertig mit einem Mann vergnügt hätte,
für den sie nicht eine tiefe, beständige Zuneigung empfand.
Sie lächelte trocken. Worüber sie
sich den Kopf zerbrechen sollte, war, ob Blake etwas für sie empfand.
Sie glaubte es, wenigstens ein bisschen. Seine Sorge um ihr Wohlergehen
letzte Nacht war ganz offensichtlich gewesen, und als er sie geküsst hatte ...
nun, sie verstand nicht viel vom Küssen, aber sie hatte den Hunger in seinen
Zärtlichkeiten spüren können, und sie begriff, dass dieser Hunger allein ihr
vorbehalten war.
Und sie konnte ihn zum Lachen
bringen. Das musste doch etwas heißen.
Dann, gerade als sie begann, ihre
Lage zu überdenken, hörte sie einen lauten Krach,
gefolgt von dem Geräusch splitternden Holzes und einem Schrei aus einer
weiblichen Kehle.
Caroline zog die Augenbrauen in die
Höhe. Was war da geschehen? Sie wollte nachsehen gehen, doch sie durfte ihre
Anwesenheit hier unter keinen Umständen bekannt werden lassen. Es war zwar höchst
unwahrscheinlich, dass einer von Olivers Freunden diese selten befahrene Straße
benutzen würde, aber wenn man sie erkannte, wäre das eine Katastrophe.
Trotzdem konnte jemand dort in Schwierigkeiten stecken ...
Die Neugier siegte über die
Vorsicht, und Caroline schlug die Richtung ein, aus der der Krach gekommen war.
Sie verlangsamte ihre Schritte, als sie sich der Stelle näherte, falls sie ihre
Meinung doch noch ändern und sich lieber im Verborgenen halten wollte.
Sie blieb hinter einem großen Baum
stehen und spähte um den Stamm herum auf die Straße. Eine elegante Kutsche
lag schief im Graben, ein Rad war völlig zersplittert. Drei Männer und zwei
Frauen liefen um sie herum. Niemand schien verletzt, weshalb Caroline sich
entschied, hinter dem Baum zu bleiben, bis sie die Situation besser einschätzen
konnte.
Die Szene, die sich ihren Augen bot,
entwickelte sich rasch zu einem faszinierenden Rätsel. Wer waren diese Leute,
und was war geschehen? Caroline erkannte schnell, wer hier das Sagen hatte – die
besser gekleidete von den beiden Frauen. Sie war reizend anzusehen mit den
schwarzen Locken, die unter ihrem Hut hervorquollen. Die Art und Weise, wie sie
ihre Anweisungen erteilte, bewies, dass sie schon ihr ganzes Leben lang mit
Dienstboten zu tun gehabt hatte. Caroline schätzte ihr Alter auf ungefähr
dreißig, vielleicht etwas mehr.
Die andere Frau war vermutlich ihre
Kammerzofe, und die drei Männer – Caroline hielt den einen für den Kutscher,
die anderen beiden für Vorreiter. Alle drei trugen die gleichen dunkelblauen
Livreen. Wer auch immer diese Leute waren, sie gehörten auf jeden Fall zu einem
ausgesprochen wohlhabenden Haushalt.
Nach einer kurzen Diskussion sandte
die federführende Dame den Kutscher und einen der Vorreiter nach Norden, wahrscheinlich
um Hilfe zu holen. Dann sah sie zu den Truhen, die von der Kutsche gefallen
waren, und erklärte: »Die können wir genauso gut als
Sitzgelegenheiten nutzen«, und die drei zurückgebliebenen Reisenden ließen sich
darauf nieder.
Nachdem sie ein paar Minuten lang
müßig dagesessen hatte, wandte sich die Dame an ihre Zofe. »Ich vermute, mein
Stickkorb ist nicht leicht erreichbar verpackt?«
Die Zofe schüttelte den Kopf. »Er
befindet sich in der Mitte der größten Truhe, Mylady.«
»Ah, das wird selbstverständlich die
sein, die wie durch ein Wunder noch oben auf dem Dach der Kutsche ist.«
»Ja, Mylady.«
Die Dame seufzte auf. »Ich denke,
wir müssen dankbar dafür sein, dass es nicht auch noch richtig heiß ist.«
»Oder regnet«, warf der Vorreiter
ein.
»Oder schneit«, bemerkte die Zofe.
Die Dame bedachte sie mit einem
durchbohrenden Blick. »Ehrlich, Sally, das ist zu dieser Jahreszeit doch höchst
unwahrscheinlich.«
Die
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