Julia Quinn
wäre die Sintflut über uns hereingebrochen.«
Elizabeth bemühte sich, eine
gelassene Miene zu machen. »Ich bereitete gerade einen feuchten Lappen für Mr.
Siddons vor, der sich am Auge verletzt hatte, und dabei stieß ich die
Wasserschüssel um.«
»Wie kommt es, dass sie noch gerade
da steht?« wollte er wissen.
»Weil ich sie wieder aufgestellt
habe!« fuhr Elizabeth ihn an.
Lucas zuckte zusammen und wich einen
Schritt zurück.
»Ich sollte jetzt wohl lieber
gehen«, meinte James. Elizabeth warf ihm einen Blick zu. Er schüttelte
sich gerade das Wasser von den Händen und wirkte erstaunlich geduldig, in
Anbetracht der Tatsache, dass sie ihn vorhin ohne jede Vorwarnung durchnässt
hatte.
Susan räusperte sich. Eizabeth
ignorierte sie. Susan räusperte sich erneut.
»Wenn ich aber zuerst um ein
Handtuch bitten dürfte?« murmelte James.
»O ja, natürlich.«
Susan räusperte sich abermals, es
war schon beinahe ein Husten.
»Was ist denn, Susan?« zischte
Elizabeth gereizt.
»Möchtest du mich nicht
vorstellen?«
»Ach ja, richtig.« Elizabeth
errötete wegen dieser offensichtlichen Verletzung der Etikette. »Mr. Siddons,
darf ich Ihnen meine jüngere Schwester Susan vorstellen? Susan, das ist
...«
»Mr. Siddons?« entfuhr es Susan
ungläubig.
Er lächelte und verneigte sich
galant. »Das hört sich an, als würden Sie mich kennen!«
»O nein, gar nicht!« behauptete
Susan so hastig, dass auch der Dümmste gemerkt hätte, dass sie log. Sie
lächelte – für Elizabeths Geschmack eine Spur zu viel sagend – und wechselte
das Thema. »Elizabeth, hast du etwas Neues mit deinem Haar gemacht?«
»Es ist nass«, gab Elizabeth
zähneknirschend zurück.
»Ich weiß, trotzdem sieht es so
...«
»Es ist nass!«
Susan murmelte so etwas wie eine
Entschuldigung vor sich hin und schwieg.
»Mr. Siddons muss jetzt gehen«,
sagte Elizabeth verzweifelt. Sie nahm seinen Arm. »Ich begleite Sie zum Gartentor.«
»Es war mir ein Vergnügen, Sie
kennen gelernt zu haben, Miss Susan!« rief er dem Mädchen über die
Schulter hinweg zu, denn Elizabeth zog ihn bereits an ihren Geschwistern
vorbei zur Haustür. »Und dich auch, Lucas! Wir müssen einmal zusammen fischen
gehen!«
Lucas jubelte vor Freude und rannte
ihnen nach. »Danke, Mr. Siddons, vielen Dank!«
Elizabeth hatte mit James schon fast
die Treppe vor dem Haus erreicht, da blieb er plötzlich stehen. »Da ist noch
eins, was ich tun muss«, sagte er.
»Was denn noch?« wollte sie
wissen. Aber er hatte ihr bereits den Arm entzogen und ging zurück Richtung
Küche. Als sie ihn außer Hörweite glaubte, murmelte sie vor sich hin: »Mir
scheint, wir haben heute schon genug getan.«
Über die Schulter hinweg warf er ihr
einen durchtriebenen Blick zu. »Aber noch längst
nicht alles!«
Stammelnd suchte sie nach einer
vernichtenden Gegenbemerkung, doch dann nahm er ihr plötzlich allen Wind aus
den Segeln.
»Ach, Jane«, rief er und beugte
sich durch die offene Küchentür. Elizabeth konnte nichts sehen, aber sie
stellte sich vor, wie ihre jüngste Schwester den Kopf hob und ihn aus ihren
großen dunkelblauen Augen fragend ansah. James warf ihr eine Kusshand zu. »Auf
Wiedersehen, süße kleine Jane! Ich wünschte, du wärst schon ein paar Jahre älter.«
Mit einem gerührten Seufzer lehnte
Elizabeth sich gegen die Wand. Von diesem Kuss würde ihre Schwester noch lange
träumen.
Das, was sie sagen wollte, hatte sie
inzwischen unzählige Male im Kopf umgeändert, trotzdem war sie fest entschlossen. Sie musste James auf den skandalösen Zwischenfall ansprechen, und
die ganze Nacht lang hatte sie sich ausgemalt, wie die Unterhaltung aussehen
könnte. Noch immer wiederholte sie in Gedanken die einzelnen Sätze, während sie
durch die Pfützen – es hatte in der Nacht geregnet – nach Danbury House eilte.
Dieser Plan – der seltsame, absurde
und unbegreifliche Plan, der sie vor den Traualtar bringen sollte – benötigte
feste Regeln, Richtlinien, irgendetwas in der Art. Denn wenn sie keine Ahnung
hatte, was sie in James Siddons' Gesellschaft zu erwarten hatte, würde sie mit
Sicherheit irgendwann den Verstand verlieren. Ihr Verhalten vom vergangenen
Nachmittag, zum Beispiel, war eindeutig ein Zeichen für starke geistige Verwirrung.
In einem Anflug von Panik hatte sie sich und ihn mit Wasser überschüttet. Und
ganz zu schweigen von ihrer schamlosen Reaktion auf James' Kuss.
Sie musste zumindest ansatzweise die
Kontrolle über das Geschehen erlangen. Sie
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