Julia Quinn
weigerte sich, eine Art Almosenempfängerin zu seiner Unterhaltung zu sein. Sie würde darauf bestehen, ihn
für seine Hilfe zu bezahlen, und damit war der Fall erledigt.
Darüber hinaus konnte er sie nicht
einfach in die Arme nehmen, wenn sie gar nicht damit rechnete. So albern es auch klang, aber seine Küsse würden
rein sachdienlich bleiben müssen. Nur so konnte sie diese ganze Episode mit
einigermaßen unversehrter Seele überstehen. Was ihr Herz betraf – nun, da
befand sie sich wahrscheinlich schon längst auf verlorenem Posten.
Doch ganz gleich, wie oft sie ihre
kleine Ansprache probte – sie klang falsch. Mal zu herrisch, mal zu schwach.
Mal zu streitlustig, mal zu beschwörend. An wen sollte sich eine Frau in so
einem Fall bloß um Rat wenden?
Vielleicht sollte sie noch einmal einen
letzten Blick in das Buch werfen. Wenn es Regeln und Vorschriften zu diesem
Thema gab, dann würden sie dort bestimmt zu finden sein. Es konnte ja sein,
dass Mrs. Seeton etwas darüber geschrieben hatte, wie man einem Mann
klarmachte, dass er sich irrte, ohne ihn gleich tödlich zu beleidigen. Oder wie
man einen Mann dazu brachte, das zu tun, was man wollte, und ihn gleichzeitig
in dem Glauben zu lassen, alles sei von Anfang an seine Idee gewesen.
Elizabeth war sich sicher, darüber schon etwas gelesen zu haben.
Und wenn nicht, dann sollte
unbedingt irgendwann einmal etwas zu dem Thema geschrieben werden. Elizabeth
konnte sich keine nützlichere Fähigkeit vorstellen. Es war einer der wenigen
Ratschläge gewesen, die ihre Mutter ihr vor ihrem Tod noch mitgegeben hatte.
»Nimm nie selbst das Verdienst für etwas in Anspruch«, hatte Claire Hotchkiss ihr empfohlen. »Du wirst viel mehr erreichen, wenn du ihn in dem Glauben
lässt, er sei der klügste, heldenhafteste und einflussreichste Mann auf
Erden.«
Und soweit Elizabeth es hatte
verfolgen können, hatte dieser Trick funktioniert. Ihr Vater hatte ihre Mutter
förmlich angebetet. Anthony Hotchkiss hatte für nichts anderes mehr Augen
gehabt – seine Kinder eingeschlossen sobald seine Frau ins Zimmer getreten war.
Zum Leidwesen von Elizabeth jedoch
hatte ihre Mutter ihr zwar verraten, was man mit einem Mann tun musste,
aber nicht, wie man diesen Rat in die Tat umsetzte. Manche Frauen
mochten das ja vielleicht unwillkürlich richtig machen, aber das galt mit
Sicherheit nicht für sie. Liebe Güte, wenn sie schon einen Ratgeber dafür
gebraucht hatte, wie man sich mit einem Mann unterhielt, dann wusste sie doch
bestimmt nicht, wie man einen Mann dazu brachte, zu glauben, ihre Einfälle
seien im Grunde seine eigenen! Sie war immer noch mit den Grundregeln der
Kontaktaufnahme beschäftigt – das hier war hingegen schon etwas für
Fortgeschrittene.
Unbeobachtet betrat sie Danbury
House durch den Haupteingang und eilte sofort den Flur entlang zur Bibliothek. Lady Danbury frühstückte noch, in diesem Teil des Hauses war alles ruhig,
und dieses verfluchte kleine Buch wartete auf sie ...
Lautlos schritt sie über den
eleganten Läufer, der sich fast über die gesamte Länge des Flurs erstreckte.
Die Stille kam ihr beinahe geheiligt vor, was allerdings etwas damit zu tun
haben mochte, dass sie beim Frühstück endlos die Streitereien zwischen Lucas
und Jane über sich hatte ergehen lassen müssen. Umso mehr erschrak sie, als
der Teppich plötzlich zu Ende war und ihre Schritte laut auf dem Marmor
hallten.
Hastig schlüpfte sie in die
Bibliothek und atmete tief den Geruch von poliertem Holz und alten Büchern ein.
Wie sehr sie diese kurzen Momente des Privatlebens genoss! Leise schloss sie
die Tür hinter sich und ließ den Blick über die Regale schweifen. Ja, da lag
es, auf der Seite, genau wie sie es vor ein paar Tagen zum ersten Mal entdeckt
hatte.
Ein kurzer Blick hinein konnte nicht
schaden. Sie wusste ja, dass es ein dummes Buch war und dass das meiste, was
darin stand, völliger Unsinn war, aber wenn sie wenigstens nur einen kleinen
Hinweis zur Lösung ihres momentanen Dilemmas fand ...
Sie nahm das Buch und blätterte es
flüchtig durch. Sie übersprang die Passagen über Kleidung und über die Notwendigkeit des Übens. Vielleicht stand ja etwas gegen Ende ...
»Was machen Sie da?«
Sie sah auf und war sich bewusst,
dass sie so panisch wirken musste wie ein Kaninchen vor der Schlange. »Nichts,
warum?«
Mit langen Schritten durchquerte
James das Zimmer. »Sie lesen wieder in diesem Buch, nicht wahr?«
»Nein, lesen wäre zu viel
gesagt«, stammelte Elizabeth.
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