Julia Quinn
Ende der Unterhaltung beschleunigte. »Bitte, hör mir nur
einen Augenblick zu. Ich muss mich beeilen. Lord Chatteris sitzt im Wald fest,
und ich habe ihm versprochen ...«
»Was?«, kreischte Mrs Royle. »Was reden
Sie denn da?«
Honoria erzählte die Geschichte, die sie sich auf dem Heimweg
zurechtgelegt hatte. Demnach hatte sie sich von der Gruppe entfernt und sich
dann verlaufen. Sie traf auf Lord Chatteris, der im Wald spazieren gegangen
war. Er hatte ihr erklärt, dass der Weg zwischen den beiden Besitzungen hin und
her mäanderte. Dann hatte er sich den Knöchel verstaucht.
Größtenteils
stimmte die Geschichte ja.
»Wir holen ihn her«, sagte Mrs Royle. »Ich schicke gleich
jemanden los.«
»Nein«, widersprach Honoria, immer noch ein wenig außer Atem.
»Er möchte nach Hause. Er hat mich gebeten, seinen Stallmeister zu benachrichtigen.
Er hat mir genau aufgetragen, was ich schreiben soll.«
»Nein«, hielt Mrs Royle entschieden dagegen. »Ich finde, er
sollte hierher kommen.«
»Mrs Royle, bitte. Je länger wir hier argumentieren, desto länger
muss er draußen im Regen sitzen.«
Mrs Royle befand sich offenbar in einem inneren Konflikt, doch
schließlich nickte sie und sagte: »Kommen Sie mit.« Sie führte Honoria zu
einem Schreibtisch, der in einer Nische in der Eingangshalle stand. Sie nahm
Papier, Federhalter und Tinte heraus und trat dann beiseite, damit Honoria
sich setzen konnte. Doch Honorias Finger waren ganz taub; sie konnte den Federhalter
kaum umfassen. Und aus ihrem Haar würde es über das ganze Briefpapier tropfen.
Sarah kam näher. »Möchtest du, dass ich das für dich übernehme?«
Honoria nickte dankbar und sagte Sarah genau, was sie schreiben
sollte, während sie gleichzeitig versuchte, Mrs Royle zu ignorieren, die hinter
ihr lauerte und sie immer wieder mit Kommentaren unterbrach, die sie für
hilfreich erachtete.
Sarah beendete den Brief, unterschrieb in Honorias Namen und gab
die Nachricht auf Honorias Nicken hin Mrs Royle.
»Bitte schicken Sie ihn mit Ihrem schnellsten Reiter los«,
bat Honoria.
Mrs Royle nahm den Brief und eilte davon. Sarah erhob sich sofort
und nahm ihre Cousine bei der Hand. »Du musst dich aufwärmen«, sagte sie
in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Du kommst jetzt sofort mit mir
mit. Ich habe bereits angeordnet, dass Wasser für ein Bad aufgeheizt
wird.«
Honoria nickte. Sie hatte getan, was getan werden musste. Nun
konnte sie sich endlich fallen lassen.
Hell und klar dämmerte der nächste Morgen herauf, ganz so, als wollte
er sie verhöhnen. Honoria hatte zwölf Stunden durchgeschlafen, eingemummelt
unter ihrer dicken Bettdecke, mit einem heißen Ziegelstein an den Füßen.
Irgendwann hatte Sarah sich ins Zimmer geschlichen, um ihr zu sagen, dass sie
Nachricht aus Fensmore bekommen hatten: Marcus war gut zu Hause angekommen und
lag nun vermutlich ebenfalls mit einem heißen Ziegelstein an den Füßen im Bett.
Doch als Honoria sich anzog, war sie immer noch besorgt. Sie war
völlig durchgefroren gewesen, als sie auf Bricstan angekommen war, und er war
dem kalten Regen viel länger ausgesetzt gewesen als sie. Windig war es auch
gewesen; beim Baden hatte sie durch das Fenster das Rauschen und Knarren der
Bäume gehört. Marcus hatte sich bestimmt erkältet. Und was, wenn sein Knöchel
nun nicht nur verstaucht, sondern gebrochen war? Hatten sie schon nach einem
Wundarzt geschickt, um den Bruch einzurichten? Hatten sie gewusst, dass man das
tun musste?
Und wer waren »sie« überhaupt? Soweit sie wusste, hatte
Marcus keine Familie. Wer würde sich um ihn kümmern, wenn er krank wurde?
Wohnte noch jemand auf Fensmore außer den Dienstboten?
Sie würde nachsehen müssen, wie es ihm ging. Sonst hätte sie nicht
mehr in den Spiegel sehen können.
Die anderen Gäste beim Frühstück waren überrascht, als sie sie
sahen. Die Herren waren bereits alle nach Cambridge zurückgekehrt, aber die
jungen Damen saßen am Tisch und aßen Eier im Glas und Toast.
»Honoria!«, rief Sarah aus. »Was hast du außerhalb deines
Bettes zu suchen?«
»Mir geht es bestens«, versicherte Honoria ihr. »Ich habe
nicht einmal einen Schnupfen.«
»Ihre Finger waren gestern Abend eiskalt«, sagte Sarah zu
Cecily und Iris. »Sie konnte nicht mal den Federhalter greifen.«
»Nichts, was ein heißes Bad und ein paar Stunden Schlaf nicht
hätten kurieren können«, beteuerte Honoria. »Ich will heute Morgen nach
Fensmore fahren. Es war meine Schuld, dass Lord
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