Julia Saison Band 01
sicher auch, vielleicht sogar noch mehr. Aber er kam schneller darüber hinweg. Sechs Monate später hatte ich schon eine Stiefmutter.“
„Sechs Monate?“ Christopher sah sie entgeistert an.
Sie lächelte traurig. „Carter kann nicht gut alleine sein.“
„Aber er hatte doch dich.“
„Er wusste anscheinend nicht, wie er mit mir umgehen sollte, und dachte wohl, eine Frau könnte das besser.“
„Aber so war es nicht?“
Lilian machte sich los und schlug mit der Faust gegen einen Holzpfosten. „Sie hat Carter nur wegen seines Geldes geheiratet. An mir hatte sie überhaupt kein Interesse, genauso gut hätte ich ein Möbelstück sein können. Zumindest am Anfang.“
„Dann nicht mehr?“
„Ich habe mir was ausgedacht, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Und die von meinem Vater.“
„Lass mich raten. Du hast die Schule geschwänzt.“
„Unter anderem. Aber lange war das nicht nötig. Carter hat fast nur gearbeitet, und Michelle mochte Partys. Bereits an ihrem ersten Hochzeitstag waren sie wie Hund und Katze. Kurze Zeit darauf ließen sie sich scheiden.“
„Wie alt warst du da? Vierzehn?“
„Ja, und ich dachte, Carter hätte jetzt wieder mehr Zeit für mich. Aber schon ein Jahr später war er wieder verheiratet. Kayla liebte Pferde und Antiquitäten.“
„Aber keine Kinder.“
„Nur ihre eigenen.“ Lilian rieb sich fröstelnd die Arme. „Ich war ihr im Weg, und sie hat alles versucht, um mich beiseitezudrängen.“
„Also hast du wieder über die Stränge geschlagen.“
„Zumindest hat mein Vater dann gemerkt, dass ich noch da bin.“ Sie dachte an die schrecklichen Jahre, als sie die Aufmerksamkeit ihres Vaters nur bekam, wenn es um Moralpredigten und um Bestrafung ging.
„Und deine Stiefgeschwister?“
„Zwei Stiefbrüder. Joshua, der Älteste, war ein ziemlich fieser Typ, John, sein jüngerer Bruder, war etwas umgänglicher, aber ich fand sie beide schrecklich.“
„Und wie lange war Carter mit Kayla verheiratet?“
„Ungefähr drei Jahre, zuletzt haben sie sich nur noch gestritten. Da war ich zum Glück schon im College. Ehefrau Nummer vier habe ich nur flüchtig kennengelernt, und Nummer fünf kannte ich überhaupt nicht.“
„Hat er dich nicht zur Hochzeit eingeladen?“
„Doch, aber ich hatte mich schon längst von ihm abgewandt. So weit ich weiß, war die Scheidung von seiner letzten Frau Anfang des Jahres. Ich hatte den Eindruck, dass er endgültig die Nase voll hat. Aber jetzt hat er deine Tante kennengelernt.“
Lilian seufzte und sah Christopher an. „Ich mag Molly wirklich gern, und ich würde es den beiden ja gönnen, dass sie glücklich werden. Meine Erfahrung sagt mir allerdings das Gegenteil. Ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass diese Beziehung länger dauert als die anderen. Beziehungen halten doch nie.“
„So habe ich nach meiner Scheidung auch gedacht“, erwiderte Christopher ruhig.
Seine Scheidung? Sie verspürte einen Stich. Wie wenig sie doch von ihm wusste.
„Wie lange warst du denn verheiratet?“
Er sah sie an. „Drei Jahre.“
„Und was ist schiefgelaufen?“ Im Grunde war es ihr egal. Es bewies nur, dass sie mit ihrer Skepsis recht hatte.
„Ich würde sagen, unterschiedliche Erwartungen. Wir haben uns in Manhattan kennengelernt, und sie hielt nicht sonderlich viel vom Landleben. Als ich mich für die Farm entschied, traten die Unterschiede dann deutlich zutage.“
Obwohl Lilian ziemlich durcheinander war, empfand sie Mitgefühl. „Das tut mir leid für dich.“
„Das braucht es nicht. Irgendwie war ich erleichtert.“
Er trommelte mit den Fingern an ein Regal. „Weißt du, meine Eltern waren zweiundvierzig Jahre verheiratet. Ich kenne das Geheimnis zwar nicht, aber ich glaube …“ Er brach ab.
„Was denn?“
Lauschend hob er die Hand. „Hast du das gehört?“
Er lief hinaus, und Lilian folgte ihm. Nach der Dämmerung im Keller empfand sie das Licht der Nachmittagssonne als ziemlich grell.
Während sie über den Hof gingen, hörten sie es wieder. Ein leiser, klagender Laut kam aus dem Stall.
Sofort rannte Christopher los. Als Lilian kurz darauf ebenfalls die Scheune betrat, fand sie ihn am Boden kniend über Deke gebeugt, der in völlig verkrümmter Stellung dalag und stöhnte.
Christopher warf ihr einen Schlüsselbund zu. „Hol meinen Jeep. Schnell.“
Es sieht bestimmt schlimmer aus, als es ist, versuchte Christopher sich zu beruhigen.
„Ich habe versucht … einen Heuballen herunter…zu…holen. Habe
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