Julia Saison Band 05
Destroyer gespielt?“ Überall reckten sich Hände in die Höhe. Der Professor lächelte. „Mitch Valentine hat sich dann der Software-Entwicklung verschrieben und eine Suchmaschine für Jobangebote speziell für Studenten kreiert. Viele von Ihnen haben FirstJob.com schon benutzt oder werden das noch tun, bevor sie ihre Bewerbungen abschicken. Danach hat Mitch sich mit Desktoppublishing beschäftigt. Heute, im Alter von achtundzwanzig Jahren, gehören ihm zwei börsennotierte Unternehmen mit Sitz in Dallas und in Los Angeles. Und er hat ein Buch darüber geschrieben, wie er das alles geschafft hat.“
Kellys Herz schlug wieder zu schnell. Michael wäre jetzt auch achtundzwanzig …
Und die Computerspiele. Seine große Leidenschaft.
Der Fakultätsvorsitzende redete weiter. Er erzählte, wie Mitch Valentine bei Null angefangen hatte. Wie er in Dallas als Obdachloser gelebt hatte und dann seinem Leben eine neue Richtung gegeben hatte. Dass er keine akademische Bildung, sondern nur einen Highsschool-Abschluss hatte, und es trotzdem heute zu etwas gebracht hatte.
Und dann sagte er endlich: „Und jetzt ist es mir eine große Freude und erfüllt mich mit aufrichtiger Bewunderung, dass ich Ihnen … Mitch Valentine vorstellen darf.“
Ein Tosen folgte. Applaus – und das Rauschen von ihrem Blut in Kellys Ohren.
Ein großer, breitschulteriger Mann in dunklem Anzug und schneeweißem Hemd mit leuchtend blauer Krawatte ging selbstbewusst über die Bühne. Kastanienbraunes Haar, dachte sie. Wie Michaels …
Im harten Licht der Scheinwerfer trat er ans Rednerpult. Und fing mit seiner Rede an.
„Vielen Dank, Dr. Benson. Ich werde mein Bestes tun, Ihrer Vorstellung gerecht zu werden …“
Seine Stimme.
Kelly wusste, dass er es war, als er sich zum Publikum umdrehte. Aber erst als sie seine Stimme hörte, spürte sie es auch tief in ihrem Herzen.
Es war Michael. Sie hatte endlich den Vater ihrer Tochter gefunden.
2. KAPITEL
Mitch Valentine, der früher einmal Michael Vakulic hieß, sprach über eine Stunde lang. Ohne Notizen. Er sprach darüber, wie es war, mit nichts anzufangen. Niemals aufzugeben. Das Unmögliche möglich zu machen. Träume zu verwirklichen.
Er war witzig und brillant und inspirierend. Und er wickelte das Publikum um den kleinen Finger. Sogar Kelly war beeindruckt – obwohl sie oft nicht ganz bei der Sache war.
Immer wieder gingen ihr Erinnerungen an den Michael, den sie früher gekannt hatte, durch den Kopf und stießen unsanft mit der Gegenwart in Person von Mitch Valentine zusammen.
In Gedanken sah sie Michael vor sich, ihren Michael, in einem billigen weißen T-Shirt und abgetragenen Schlabberjeans, dünn und schlaksig, mit schulterlangem, strähnigem Haar. Seine haselnussbraunen Augen leuchteten, und sein schmales Gesicht strahlte von innen heraus.
„Ich liebe dich, Kelly“, beteuerte er. „Du bedeutest mir alles. Ich werde mich immer um dich kümmern. Wir beide gegen den Rest der Welt …“
Mitch Valentine dagegen sagte: „Ein Ultimatum zu setzen? Ich glaube, das ist der einfachste Weg, sich selbst das Leben kaputt zu machen und dafür zu sorgen, dass man nicht bekommt, was man will …“
Kelly erinnerte sich an den Tag, an dem Michael sie selbst zu einer Entscheidung gezwungen hatte. „Du und ich, Kelly“, hatte er gesagt. „Erinnerst du dich nicht? So war das geplant. Für immer. Wenn du jetzt mit deinem Bruder mitgehst, ist das vorbei. Also entscheide dich. Für ihn oder für mich.“
„Aber Michael, er ist mein Bruder …“
„Er oder ich, verdammt noch mal. Entscheide dich einfach.“
Als er mit seiner Rede am Ende war, beantwortete Mitch Valentine Fragen.
Das zog sich eine halbe Stunde hin.
Schließlich bedankte er sich und wies darauf hin, dass er am nächsten Tag zwischen drei und fünf Uhr im Buchladen auf dem Campus sein neues Buch signieren würde. Die Lichter gingen wieder an, und die Bühnenscheinwerfer wurden gedimmt. Als schließlich alle bis auf die letzten Nachzügler zum Ausgang aufbrachen, zwang Kelly sich aufzustehen. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie zwischen den Stuhlreihen durch und dann zielbewusst nach vorne ging. Auf beiden Seiten führten Treppen nach oben auf die Bühne. Sie nahm die linke.
Der letzte Student wandte sich ab, um zu gehen. Der Mann, der früher Michael hieß, warf Kelly einen Blick zu, die zögernd am Bühnenrand verharrte. Er lächelte.
Ihr Herz hörte auf zu rasen. Stattdessen fühlte es sich an, als würde es
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