Julia Saison Band 05
dran.
Wie er es sich gewünscht hatte, befand sich der reservierte Tisch in einer zurückgezogenen Ecke mit gedämpftem Licht. Auf einer schneeweißen Tischdecke stand eine Öllampe. In einer quadratischen Kristallvase schwamm eine weiße Magnolienblüte.
Er nahm den Stuhl mit Blick zum Eingang und bestellte einen Tanqueray auf Eis. Als sein Drink serviert wurde, nahm er einen Schluck und musste dabei ein ironisches Lächeln unterdrücken. Ein paar Minuten mit Kelly, nach über zehn Jahren, und schon konnte er nur noch an sie denken.
Als der Kellner wieder auftauchte, folgte ihm Kelly.
Ihr Anblick traf Mitch wie ein Schlag. Das weiche braune Haar trug sie jetzt kinnlang. Diese Frisur betonte ihre blauen Augen und ihren roten Mund.
Schon immer hatte ihr Stil irgendwie „retro“ gewirkt. Er konnte sie sich gut in den Goldenen Zwanzigern vorstellen, wie sie bis ins Morgengrauen Charleston tanzte. Heute hatte sie einen grauen Rock an – eng um die Hüften, weit am Saum – und eine rote Bluse unter einem kurzen Blazer.
Ihre Blicke trafen sich, als sie auf ihn zukam. Ihre süßen Lippen zitterten beim Lächeln. War sie nervös?
Wenn ja, konnte er das verstehen. Ihm ging es auch so.
Er erhob sich, als der Ober ihr den Stuhl zurechtrückte. Sie bestellte ein Glas Weißwein, das augenblicklich serviert wurde.
Dann waren sie endlich allein.
Kelly lächelte ihn an. Das Kerzenlicht glitzerte golden in ihren Augen. „Also, wie ist die Autogrammstunde gelaufen?“
„Ich habe eine Menge Bücher verkauft und geredet, bis mir der Hals wehgetan hat. Man könnte sagen, es war ein Erfolg.“
„Glückwunsch.“
Er zuckte die Achseln. „Ich kann nur hoffen, dass der Rest der Lesereise auch so gut läuft.“
„Wie lange dauert das Ganze?“
„Drei Wochen. Wenn ich nach Hause komme, bin ich urlaubsreif.“
„Und wo bist du zu Hause?“
„Im Augenblick hauptsächlich in Los Angeles. Aber der Firmensitz von FirstJob.com ist in Dallas, also verbringe ich mehrere Wochen im Jahr dort.“
„Wahnsinn“, sagte sie. „Ich kann das alles gar nicht fassen. Du hast es wirklich weit gebracht.“
Er zog eine Augenbraue hoch. „Für einen Jungen, der in einer Wohnwagensiedlung groß geworden ist, meinst du?“
Sie hob ihr Glas. „Auf dich, Mitch.“ Er stieß mit ihr an, und sie nahmen einen Schluck.
„Also“, setzte er an, „wie sieht es bei dir aus?“
Der Ausdruck in ihren Augen veränderte sich. Eine gewisse … Besorgnis schimmerte auf. Aha. Sie hatte also Geheimnisse. Und er wollte wissen, welche. Verflixt. Er wollte einfach alles über sie erfahren, alles was in den zehn Jahren, seit er sie aus den Augen verloren hatte, passiert war.
„Hmm, wo soll ich anfangen? Ich leite das Sacramento County Family Crisis Center.“
„Das hört sich wie ein wichtiger Job an.“
„Auf jeden Fall ist der Service, den das Center anbietet, wichtig. So viel ist sicher.“
„Es ist eine Wohltätigkeitsorganisation, richtig?“
Sie lachte. Er würde Millionen bezahlen, einfach nur um dieses Lachen wieder regelmäßig zu hören. Jeden Tag am besten – morgens, mittags und mindestens zwanzigmal am Abend. „Da spricht der wahre Kapitalist“, meinte sie.
„Das sollte keine Kritik sein.“
„Na gut. Und ja, es handelt sich in der Tat um eine Wohltätigkeitsorganisation. Wir bieten Familienberatung an. Außerdem haben wir ein Heim für Kinder, die zeitweise einen Ort brauchen, an dem sie bleiben können, wenn es schlimme Probleme gibt.“ Ihre Augen leuchteten voller Stolz.
„Du stehst voll und ganz hinter deiner Arbeit.“
„Allerdings.“
„Und sie macht dir Freude.“
„Ja.“ Sie fuhr mit dem Finger über den Rand von ihrem Weinglas und warf ihm einen Blick zu. „Mitch, ich …“ Sie schien nicht zu wissen, wie sie fortfahren sollte.
Er wartete darauf, dass sie weitersprach. Als sie nichts sagte, fragte er: „Und wie geht es deiner Mutter?“
Sie stöhnte und legte den Kopf in den Nacken. „Oh Gott. Das ist eine lange Geschichte …“ Sie beugte sich wieder vor. „Erinnerst du dich an das berühmte Bravo Baby, das wegen der Diamanten seiner Eltern gekidnappt worden ist? Das Lösegeld wurde bezahlt, aber das Baby wurde nie zurückgegeben.“
„Natürlich erinnere ich mich. Du hast mir von ihm erzählt …“
„Stimmt, das habe ich, nicht wahr? Aber vor zehn Jahren hat niemand gewusst, dass das Baby überlebt hat oder wer der Kidnapper war. Ich habe mir immer vorgestellt, dass ich vielleicht mit
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