Julia Saison Band 11
konnte sogar meinen Atem sehen. Wenn ich noch länger gewartet hätte, wäre ich erfroren.“
Der kleine Junge wirkte so ernst, dass Cole sein Lachen herunterschluckte.
„Das geht natürlich nicht.“ Cole deutete auf den Garderobenschrank. „Wenn du deine …“
„Ich behalte sie besser an.“ Sie warf Charlie einen Blick zu. „Wir haben einige Taschen, die sollte ich hereinholen, bevor das Auto ganz eingeschneit ist.“
„Auf dem Beistelltisch liegt ein Garagentoröffner“, sagte Cole. „Er ist für dich, solange du hier bist.“
Ein Garagentoröffner. Ein einfaches Hilfsmittel, nichts weiter. Warum fühlte es sich dann plötzlich so intim an?
Falls Margaret es genauso sah, zeigte sie es nicht. Sie nahm einfach die Fernbedienung, steckte sie ein und wandte sich dann an Charlie, der seine Jacke aufknöpfte.
„Lass sie an, Liebling“, sagte sie zu dem Jungen. „Ich brauche Hilfe, um die Taschen ins Haus zu tragen.“
„Ich will keine blöden Taschen tragen“, quengelte der Junge. „Ich will mein Zimmer sehen.“
„Das kannst du“, antwortete Cole, bevor Margaret dazu kam. „ Nachdem du Tante Meg geholfen hast.“
Charlie sah ihn störrisch an. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder, als Cole ihn ernst ansah.
„Okay“, seufzte der Junge ergeben.
„Danke, Charlie“, fügte Margaret hinzu. „Ich weiß deine Hilfe zu schätzen.“
„Kann ich auch irgendetwas tun?“, fragte Cole.
„Danke, aber wir schaffen das schon.“ Für einen Moment lächelte sie ihn offen und freundlich an. „Schau dir Charlies Muskeln an.“
Neben ihr meldete sich Charlie mit stolz geschwellter Brust: „Ich bin ganz stark. Ich habe den großen Kürbis aus unserem Garten hochgehoben, den nicht mal Daddy tragen konnte.“
Ein scharfer Schmerz durchzuckte Coles Herz. Sosehr er sich gewünscht hatte, eine größere Rolle im Leben des Jungen zu spielen, es hätte nicht auf Tys Kosten sein sollen.
„Daddy und ich haben ihm ein böses Gesicht geschnitzt“, erzählte der Junge weiter. „Mommy hat sich erschrocken, als wir ihn ihr gezeigt haben.“
„Sie hat mir davon erzählt“, antwortete Margaret lächelnd und strich dem Jungen die Haare aus dem Gesicht.
Wusste Margaret, wie gut es für Charlie war, dass sie über seine Eltern sprach? Als sein Vater gestorben war, durften er und sein Bruder nicht einmal mehr dessen Namen erwähnen. Cole war sich nie sicher gewesen, ob seine Mutter wirklich nicht über den Tod ihres Mannes hinwegkam oder ob sie ihren neuen Freund einfach nicht aufregen wollte.
„Charlie, du bleibst hier, bis ich hupe. Dann kommst du und hilfst mir. Okay?“
Der Junge nickte.
Margaret ging durch die Vordertür nach draußen und zog sie hinter sich zu.
Charlie sah Cole an. „Tante Margaret und ich haben mein Spielzeug und meine Anziehsachen geholt. Die Sachen von Mommy und Daddy waren alle weg.“
Bei dem Schmerz und der Verwirrung in der Stimme des Kleinen zog sich Cole das Herz zusammen. Darauf nicht zu antworten kam nicht infrage. Nicht, wenn ihn die großen, blauen Augen so ernst ansahen und nach Antworten suchten.
„Mein Daddy ist gestorben, als ich nicht viel älter war als du.“ Cole räusperte sich. „Es hat nicht lange gedauert, bis alle seine Sachen aus unserem Haus verschwunden waren – als wäre er nie da gewesen.“
„Hat dich das traurig gemacht?“, fragte Charlie leise.
„Ja“, antwortete Cole. „Aber dann habe ich erkannt, dass seine Kleidung und seine Angel- und Jagdausrüstung nur Sachen sind. Mein Dad war immer noch bei mir. Er wird immer bei mir sein. Verstehst du das?“
Charlie runzelte die Stirn. „Ich glaube schon.“
Cole beschloss, es ihm einfacher zu erklären. „Mein Dad war fast ein Jahr lang krank, bevor er gestorben ist. Wir wussten alle, dass es nicht lange dauern wird, bis er in den Himmel kommt.“
„Hast du ihm gesagt, dass er nicht gehen soll?“ Charlies Unterlippe zitterte. „Dass du ihn vermissen wirst und Angst hast, allein zu sein?“
Cole presste die Lippen zusammen, als er sich daran erinnerte, wie einsam und verängstigt er gewesen war. Sein Dad war der Einzige gewesen, auf den er sich hatte verlassen können. „Bevor er gestorben ist, hat er mir gesagt, dass er immer in meiner Hosentasche sein wird, egal, wo ich hingehe. Verstehst du?“
Charlie runzelte kurz die Stirn und nickte dann.
Cole atmete auf.
Dann klopfte der Junge seine Taschen ab. „Aber ich fühle Daddy nicht.“
„Er ist
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