Julia Saison Band 13 (German Edition)
abwehrend die Hände.
„Ich sehe schrecklich aus. Du darfst mich unmöglich so sehen.“
Unwillkürlich ließ er seine Hand sinken. Er war völlig ratlos. Warum war sie nur so wütend?
„Stimmt etwas nicht?“
„Du. Deine Anwesenheit. Die Tatsache, dass du unangekündigt auftauchst.“
Ihre scharfen Worte unterstrich sie mit hastigen Atemzügen, dabei gestikulierte sie wild mit ihren Händen. Es bedurfte all seiner Willenskraft, nicht nach ihnen zu greifen und sie festzuhalten.
„Wo ist das Problem? Wir sind doch keine Fremden, oder?“
Ihre Augen flackerten, und er begriff beim besten Willen nicht, was er nun wieder Falsches gesagt hatte.
„Es kommt mir gerade sehr ungelegen.“
Ja, sie wirkte unglaublich beschäftigt, aber den Gedanken behielt er für sich. Sarkasmus würde ihre Wut nur noch weiter anfachen – wer oder was auch immer sie hervorgerufen hatte.
„Es tut mir leid, dass ich gestern Abend nicht mehr vorbeigekommen bin. Ich muss mit dir sprechen.“
Nervös sah sie durch ihn hindurch, als würde sie den schnellsten Fluchtweg auskundschaften.
„Ich gehe nicht, bevor wir gesprochen haben.“
Seine Stimme klang so bestimmt, dass sie ihn argwöhnisch anschaute und innehielt. Dann schob sie die Brille auf die Nase zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Was gibt es noch zu sagen? Du bist nicht mehr mein Date und hast sicher eine Menge Arbeit, also …“
„Ich weiß, dass ich mich dir gegenüber widersprüchlich verhalten habe, und ich bin hier, um mit dir darüber zu sprechen. Was ist los mit dir?“
Ihre Gleichgültigkeit machte ihn rasend. Er trat in den Schatten und fasste sie an den Armen.
Sofort verspannte sie sich, ihre Unterlippe zitterte. Er wollte sie in die Arme schließen – aber zuerst musste er herausfinden, was sie so wütend gemacht hatte, dann darüber sprechen und sich anschließend auf ihre Zukunft konzentrieren. Ihre gemeinsame Zukunft.
„Eve, bitte sprich mit mir.“
Für den Bruchteil einer Sekunde erwärmte sich ihr Blick, bevor ihre Lippen schmal wurden und sie das Haar schwungvoll zurückwarf.
„Du kannst die Charme-Offensive jetzt sein lassen.“
Sie entwand sich ihm, trat zurück und landete im Rosenbusch.
„Siehst du das hier?“
Eve zeigte an sich herunter. „Kein Make-up. Wirres Haar. Brille. Bequeme Kleidung. Das bin ich – im wirklichen Leben. Unter der ganzen Verkleidung bin ich immer noch dieselbe Frau. Sieh mich an, sieh mich ganz genau an.“ Sie machte eine seltsame kleine Drehung, und er begriff, was sie sagen wollte. „Siehst du? Nur die gute alte Eve. Nicht sehr beeindruckend, oder?“
„Eve, du bist bezaubernd schön.“
In dem Moment, als er die Worte aussprach, wusste er, dass er das Falsche gesagt hatte. Sie streckte sich, und ihr vernichtender Blick sprach Bände.
„Du hast bekommen, was du wolltest, und musst mir jetzt nichts mehr vormachen.“
„Aber ich mache dir nichts vor! Ich bin deinetwegen hier. Nicht wegen deiner Kleidung oder deiner gestylten Frisur. Das weißt du doch, oder etwa nicht?“
Ihre Augen verengten sich und schienen ihn einer genauen Prüfung zu unterziehen. Dann schüttelte sie den Kopf. „Wieso sollte ich?“
Sein Herz raste. Er öffnete den Mund, um einen weiteren Versuch zu starten, sie zu überzeugen, doch sie hob die Hand.
„Eine Zeitlang hätte ich alles dafür gegeben, diese Worte aus deinem Mund zu hören. Aber jetzt ist es zu spät.“
„Warum?“
„Weil ich nicht mit deiner großen Liebe konkurrieren kann.“
Sie musste seine Verwirrung bemerkt haben, denn sie fuhr fort: „Mit deiner Arbeit. Sie wird immer an erster Stelle kommen.“
Er wollte protestieren, doch sie unterbrach ihn.
„Du kannst es nicht leugnen. Jedes Mal, wenn wir uns im letzten Monat nähergekommen sind, hast du deine wertvolle Karriere unserer gemeinsamen Zukunft vorgezogen.“
Sie machte eine Geste in Richtung Tor und fuhr fort: „Wir sind zu verschieden, du und ich. Deine Arbeit ist das Wichtigste in deinem Leben – und für mich ist es dieser Ort hier. Nach einem langen Tag zu entspannen mit selbstgekochtem Essen und viel Ruhe. Ich glaube nicht, dass dir das jemals reichen würde.“
Herausfordernd reckte sie ihr Kinn. „Komm schon, sag mir, dass ich unrecht habe.“
Was konnte er darauf erwidern? Der Adrenalinrausch seines Berufs war ihm wichtig – die sozialen Netzwerke, die Geschäftsessen, die Drinks, die Partykultur.
Also waren sie gegensätzlich? Nein, alles aufgebauscht.
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