Julia Saison Band 17
hatte, musste sie sich auch eine kleine Geschichte ausdenken. Aber damals hatte das gut funktioniert. Auf Terry, ihren Chef, hatte sie sogar einen so vertrauenswürdigen Eindruck gemacht, dass sie nach zwei Wochen aus dem St. Valentine-Hotel in eines seiner Häuschen umziehen konnte. Die Miete dafür hatte sie gleich bar auf die Hand gezahlt.
Wieso konnte sie also diesem Kerl hier nichts vormachen?
„Willst du mir die richtige Geschichte erzählen?“, fragte er. Dabei fing er an, das Bettchen zusammenzubauen.
„Wenn ich sie dir erzähle, würdest du sie dann bitte für dich behalten? Das ist mir sehr wichtig“, erwiderte Annette.
Jared blickte über die Schulter und lächelte sie an, sodass sie gar nicht anders konnte, als ihm zu vertrauen. Dann nickte er.
Was dieser Mann mit einem einzigen Blick bei ihr anrichtete, war unglaublich.
Sie holte tief Luft, ehe sie begann. Und sie spürte sofort, wie gut es tat, sich endlich einmal alles von der Seele zu reden. Wahrscheinlich war es Tony Amati beim Schreiben seines Tagebuchs genauso ergangen.
Außerdem konnte sie Jared anscheinend sowieso nichts vorschwindeln, und sie brauchte irgendjemanden hier in St. Valentine. Warum also nicht Jared Colton? Immerhin bastelte er gerade ihre Babyausrüstung zusammen. Ein wahrer Gentleman.
„Ich hatte einen Verlobten“, sagte sie. „In Tulsa.“
„Ein Verlobter klingt ernst.“
„Mir war die Sache schon ernst.“ Annette lehnte sich an die Wand, beide Hände unter ihrem Bauch, was sich wunderbar beruhigend anfühlte. „Aber bevor ich weitererzähle, sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich in einer bestimmten Art und Weise erzogen wurde. Es fing nach dem Tod meines Vaters an. Er starb an Krebs, da war ich zehn.“
Jared hielt inne. „Das tut mir leid.“
„Danke. Es ist schon lange her“, meinte sie. „Aber meine Mom und ich haben lange darunter gelitten. Sie war untröstlich, und ich konnte es kaum ertragen, jeden Tag ihr unglückliches Gesicht zu sehen. Die Arztrechnungen seiner Krankheit waren astronomisch. Obwohl meine Eltern beide aus guten Familien kamen, hatten sie schwere Zeiten durchgemacht. Also wurden meine Mutter und ich schließlich zu dem, was man vielleicht als arm, aber vornehm bezeichnen könnte.“
Jared wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
„Jedenfalls hat sich meine Mutter für mich immer eine finanziell abgesicherte Zukunft gewünscht. Das hat sie mir geradezu eingetrichtert. Klingt ganz schön altmodisch, oder? Da ich für sie sorgen wollte, dachte ich mir allerdings nichts dabei, eine möglichst gute Partie zu machen. Ich war damals sehr jung, und es gefiel mir, wie die Jungs mich anguckten, wenn meine Mom mich herausputzte und mir beibrachte, wie ich ihnen schmeicheln konnte. Als ich alt genug war, um auszugehen, fand ich es schön, in elegante Restaurants ausgeführt zu werden.“ Annette atmete tief durch. „Meine Mom hat mir immer eingeschärft, ich sollte mich so gut wie möglich verheiraten. Kurz bevor ich mit einem Stipendium aufs College ging, starb sie. Erst da merkte ich, wie oberflächlich ihre Sichtweise war.“
Jared schaute kurz auf. „Im College hast du angefangen, selbstständig zu denken.“
„Das stimmt. Meine Mutter war außerordentlich kunstinteressiert und hatte dieses Interesse an mich weitergegeben. Deshalb wählte ich im Hauptfach Kunstgeschichte, mit dem Ziel, irgendwann künstlerisch mit Kindern zu arbeiten.“ Sie machte eine Pause. „Jedenfalls fing ich an, mit anderen Männern auszugehen, die zum Teil überhaupt kein Geld hatten. Aber schließlich traf ich einen, von dem meine Mutter sicherlich begeistert gewesen wäre.“
Jared befestigte den Betthimmel über dem Babybettchen. „Er war also Mr Right?“
„Mittlerweile habe ich noch ein paar andere hübsche Namen für Brett, aber damals dachte ich wirklich, er wäre der Richtige“, bestätigte sie. „Der perfekte Mann für mich. Er war charmant, konnte stundenlang über Dinge reden, die uns beide interessierten, und kam mit allen gut aus. Zufälligerweise stammte er aus einer reichen Familie, und er war ein Superathlet. Er hat mich leidenschaftlich umworben, und als er mir einen Heiratsantrag machte, habe ich ihn angenommen.“
Sorgfältig ordnete Jared die Rüschen des Betthimmels. „Und dann wurdest du schwanger.“
Wieder hörte sie diesen Tonfall heraus, als fühlte er sich gefangen und würde keinen Ausweg finden.
Fast so, als wäre auch ihm vor langer Zeit das Herz so heftig
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