Julia Saison Band 17
hätte nichts dagegen. ‚Alle tun das‘, meinte er. So wie man es von den Kennedys kennt.“ Annette lachte kurz auf. „Aber es wurde noch besser. Er wollte sich entschuldigen, aber nur dafür, dass ich ihn in flagranti erwischt hatte.“
Jared fand, dass sie eine Reife besaß, die über ihr Alter weit hinausging. Vielleicht gehörte das zu ihrer aristokratischen Haltung, die auch in der Kellnerinnenuniform nicht zu übersehen war.
„Ich nehme an, du hast ihn in seine Schranken gewiesen“, meinte er.
„Allerdings.“ Sie wurde rot, schwieg jedoch.
Ihre Reaktion weckte sofort den Beschützerinstinkt in ihm. Doch als sie sich aufrichtete, bevor er ihr aufhelfen konnte, wurde ihm klar, dass Annette von niemandem Hilfe brauchte.
Das war ihm nur recht, denn die Tatsache, dass er jetzt so viel von ihr wusste, gab ihm ein Gefühl der Verantwortung, das er vorher nicht empfunden hatte. Eine merkwürdige Sache für jemanden, der Verantwortung in seinem Leben bisher immer abgelehnt hatte.
Sie kam herüber zum Bettchen. „Das hast du toll hingekriegt. Vielen Dank für alles.“
„Ach, das war doch gar nichts“, wehrte Jared ab. Aber das stimmte nicht. Dieser Vormittag war etwas Besonderes.
Als sie lächelnd zu ihm aufblickte, wurde ihm heiß. Wenn er nicht aufpasste, würde er noch in Teufels Küche kommen.
„Hast du das Tagebuch dabei?“, fragte Annette.
„Ja, in meiner Jackentasche.“
„Hättest du etwas dagegen, wenn ich es lese, solange du dich um den Garten kümmerst?“
„Nein, gar nicht.“ Geistesabwesend strich er sich über die Bartstoppeln am Kinn. „Zum Garten müsste ich dir aber noch was sagen.“
„Was denn?“
„Ich fürchte, ich werde ein ziemliches Chaos veranstalten.“
Erstaunt schaute sie ihn an. „Wie viel Chaos?“
„So viel, dass ich danach noch mal neu pflanzen muss.“
Sie schwieg einen Moment, und er sah seine Chancen schwinden, noch weitere persönliche Dinge von Tony Amati zu finden. Flüchtig überlegte er sogar, stattdessen vielleicht bei ihren Nachbarn zu klingeln und nachzufragen, ob sie einem Fremden gestatten würden, ihren Garten in ein Katastrophengebiet zu verwandeln.
Doch dann lächelte Annette. „Dein Seelenfrieden ist wichtiger als ein paar Küchenkräuter. Also grab, soviel du willst.“
Jared war kein Typ für Gefühlsausbrüche, aber in diesem Augenblick hätte er beinahe triumphierend die Faust gereckt.
„Super. Danke, Annette.“ Verlegen setzte er hinzu: „Ehrlich gesagt habe ich schon Töpfe und Gartenwerkzeuge von meiner Gran im Truck mitgebracht.“
Annettes Augen blitzten, genau wie am Tresen im Diner. Bloß war da diesmal keine Schranke zwischen ihnen, und er spürte eine seltsame Empfindung in der Herzgegend.
„Ist es so leicht, meine Reaktion vorherzusehen?“, fragte sie belustigt.
Er lachte, und sie lehnte sich ein bisschen näher zu ihm. Als sie nur noch wenige Zentimeter von ihm entfernt war, wünschte er sich, sie würde sich auf die Zehenspitzen stellen, um ihm einen Wangenkuss zu geben. Sein hämmernder Herzschlag schien den Raum zwischen ihnen zu füllen.
Doch plötzlich blinzelte Annette, als würde sie gerade aus einem Zauber aufwachen, und Jared verschränkte unwillkürlich die Arme vor der Brust.
Mit einem Lachen löste sie die Spannung auf und ging zur Tür. Dann drehte sie sich noch einmal um und flüsterte leise: „Jared, Brett weiß nicht, wo ich bin.“
Erneut regte sich sein Beschützerinstinkt. Oh Mann, sie war vor ihrem Verlobten weggelaufen?
Eindringlich sah sie ihn an. „Du behältst mein Geheimnis für dich, so wie ich den Fund von Tonys Tagebuch für mich behalte, ja? Allen anderen in der Stadt muss ich nämlich Lügen auftischen, weil ich nicht will, dass Brett mich jemals findet.“
Ihre Verletzlichkeit berührte Jareds verschlossenes Herz.
Ebenso leise wie sie erwiderte er: „Ich werde kein Wort verraten.“
4. KAPITEL
Als die Wolken aufrissen, um ein wenig Nachmittagssonne durchzulassen, schob Jared seinen Hut zurück, hockte sich auf die Fersen und betrachtete den Garten.
Ein einziges Schlachtfeld.
In der Nähe des weißen Lattenzauns, der die kleine Terrasse und die mit ein paar Sträuchern bewachsene Fläche begrenzte, hatte er angefangen. Es war leicht festzustellen, wo Annette das Tagebuch gefunden hatte: fast am Zaun, gleich neben einem Schmetterlingsfliederbusch. Offenbar hatten die Arbeiter beim Einschlagen der Zaunpfosten Tonys Tagebuch nur knapp verfehlt.
Deshalb hatte Jared
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