Julia Sommerliebe 0023
herum und ließ die Hand dabei auf der Türklinke.
„Ich gehe aus“, erklärte sie betont freundlich. „Es ist neun Uhr, da darf ich doch wohl Feierabend machen.“
„Natürlich …“, räumte er zögerlich ein. „Aber wo wollen Sie denn hin? In diesem Aufzug …“
Zoe sah an ihrem knallgrünen Trägerkleid herunter. Gut, es war ziemlich eng und auch ganz schön kurz, trotzdem kein Grund, sie so geringschätzig zu betrachten. Die Farbe stand ihr ganz ausgezeichnet und der zarte Stoff brachte ihre weiblichen Formen gut zur Geltung.
„Wie gesagt, ich gehe jetzt aus“, wiederholte sie und setzte ein entschlossenes Lächeln auf.
Leandro funkelte sie vorwurfsvoll an. Vier Tage lang hatte sie ihn nicht zu Gesicht bekommen, jetzt stand er auf einmal vor ihr, als wäre er aus dem Winterschlaf erwacht.
Offenbar hatte er sich mehrere Tage lang nicht rasiert, außerdem war sein Haar völlig zerzaust und stand in alle Richtungen ab. Er trug Jeans und ein altes, ausgewaschenes T-Shirt. Aber diesen Mann konnte einfach nichts entstellen! Er sah einfach toll aus!
„Und wohin genau?“, hakte er nach.
Zoe rang um Beherrschung. Sie hatte keine Ahnung, ob Leandro ihr die letzten Tage lang bewusst aus dem Weg gegangen war. Vielleicht war sie ihm aber auch einfach nur völlig egal. Jedenfalls fand sie, dass sie nach vier vollen Arbeitstagen, und entsprechend vielen einsamen Abenden, mal etwas Abwechslung verdient hatte.
„Ich fahre nach Menaggio“, sagte sie. In einer Küchenschublade hatte sie einen aktuellen Busfahrplan gefunden. „Morgen ist Sonntag, das ist mein freier Tag“, erinnerte sie ihn. „Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, wenn ich erst spät wieder zurückkomme.“
„Und was wollen Sie um diese Zeit noch in Menaggio?“, wollte Leandro wissen. Es klang verächtlich.
„Mich vergnügen“, gab Zoe trotzig zurück. Dann öffnete sie die Haustür und verließ die Villa, ohne sich noch einmal nach ihm umzudrehen.
Mit entschlossenen Schritten ging sie die Auffahrt hinunter. Was bildet der sich eigentlich ein? fragte sie sich. Mich ins Kreuzverhör zu nehmen, als säße ich auf der Anklagebank. Als hätte ich kein Recht auf mein eigenes Leben!
Egal, heute Abend wollte sie nicht weiter an ihn denken. Stattdessen wollte sie sich einen Nachtklub in Menaggio suchen, nette Leute kennenlernen, tanzen und sich unterhalten. Und zwar so lange, wie sie wollte.
Verwirrt starrte Leandro auf die Eingangstür der Villa, die soeben krachend ins Schloss gefallen war. Ihm war durchaus bewusst, dass Zoe Clark jedes Recht der Welt hatte, abends zu tun und zu lassen, was sie wollte.
Aber wenn er sich vorstellte, wie sie in irgendeiner heruntergekommenen Bar in Menaggio tanzte und mit den Männern flirtete, wurde ihm ganz anders. Angewidert verzog er das Gesicht. Ein flaues Gefühl überkam ihn, wenn er daran dachte, wie sie sich womöglich beim Tanzen an einen Mann schmiegte. Jeder Mann dieser Welt musste sie einfach begehren! Und viele wären bestimmt sofort dazu bereit, ihr zu geben, was auch immer sie wollte.
Natürlich hätte er sich vorher denken können, dass es so weit kommen würde. Wenn er selbst schon nicht für Abwechslung sorgte, musste Zoe eben selbst zusehen, dass sie in ihrer Freizeit auf ihre Kosten kam. Eigentlich ein Wunder, dass sie so lange durchgehalten hatte. Normalerweise waren Frauen wie sie ganz anders, das wusste er schließlich nur zu gut von seinem Vater.
Im Moment dachte er allerdings nicht an die Geliebten, die sein Vater gehabt hatte, sondern nur an Zoe.
In den letzten Tagen hatte er es genossen, dass sie in der Villa war. Er hatte sich zwar zurückgehalten und meistens nicht blicken lassen, aber heimlich hatte er Zoe doch beobachtet – er konnte einfach nicht anders.
Sie arbeiten und dabei manchmal leise singen oder pfeifen zu hören … Hin und wieder hatte er durch eine offene Tür gesehen, wie sie den Lappen im Waschbecken ausgespült oder die Fenster geputzt hatte. Das Haar hatte sie dabei zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. In solchen Augenblicken spürte er wieder ein leises Verlangen nach ihr …
Bevor sie ihn allerdings entdecken konnte, hatte er sich schnell und lautlos wieder zurückgezogen. Er wusste, dass er ihr nicht zu nahe kommen durfte: Sonst würde sie ihm noch gefährlich werden. Oder er ihr.
Nachdem er sie neulich auf dem Bootsanleger fast an sich gezogen hätte, war er ihr konsequent aus dem Weg gegangen. Als sie so tropfnass vor ihm gestanden
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