Julia Sommerliebe 0023
Arbeitszimmer.
Mehr bekam sie nicht von ihm zu sehen. Und vielleicht war es ja besser so.
Um die Mittagszeit wärmte Zoe sich eine Portion Pasta vom Vortag auf und aß sie in der Küche. Sie fragte sich kurz, ob sie Leandro auch etwas davon anbieten sollte, entschied sich aber dagegen.
Nach dem Essen bot sie den Dachdeckern Kaffee und biscotti an, die sie auf dem Markt gekauft hatte. Die drei Männer freuten sich sichtlich und machten ihr zahlreiche Komplimente. „Fantastico!“, riefen sie, und nannten sie „Bella Donna“.
Lachend überreichte sie ihnen die dampfenden Tassen und freute sich über so viel unbeschwerte Herzlichkeit. Genauso hatte sie sich italienische Männer vorgestellt.
Nicht so wie den schweigsamen, arroganten Leandro.
„Was haben Sie da gerade gemacht?“ Als Zoe mit den leeren Tassen und einem Teller voller Krümel zurückkam, stand Leandro in der Eingangshalle. Die Hände hatte er in die Hüften gestemmt.
„Ich habe den Arbeitern einen Kaffee angeboten“, gab sie etwas barsch zurück. Schon wieder hatte sie das Gefühl, Watte im Kopf zu haben. „Es ist ziemlich heiß, da konnten sie eine Pause gebrauchen.“
Leandro brummte: „Jaja, und Sie konnten ein paar Komplimente gebrauchen.“ Zoe ignorierte sein Gemurmel. War er etwa eifersüchtig? „Möchten Sie vielleicht auch einen Kaffee?“, erkundigte sie sich. „Oder ein paar biscotti? “
Er betrachtete sie lange mit versteinertem Blick.
Womit habe ich so eine Behandlung eigentlich verdient? fragte sich Zoe. Was habe ich ihm denn getan? Nur weil ich ihn gestern in der Hitze des Augenblicks berührt habe? Muss er mich deswegen gleich so schlecht behandeln? Genau wie Steve …
Oder war sie etwa selbst diejenige, die sich abwertete? Vielleicht meinte er das alles nicht so, wie es bei ihr ankam. Sie war schließlich ein gebranntes Kind und legte womöglich jedes seiner Worte zu Unrecht auf die Waagschale.
Noch immer hielt sie ihm den Teller mit den biscotti hin.
„Nein“, erwiderte er schließlich, und Zoe kam es vor, als würde es ihm leidtun. „Nein, danke. Ich muss arbeiten.“
Dann drehte er sich auf dem Absatz um und ging in sein Arbeitszimmer zurück.
Am späten Nachmittag blitzte und blinkte das Wohnzimmer, soweit es unter den gegebenen Umständen möglich war. Der saubere Boden und die blanken Fenster brachten den Raum so richtig zur Geltung. Durch den Ausblick auf den See wirkte der Raum fast luxuriös – wären da nicht die antiken Polstermöbel, die in erbärmlichem Zustand waren.
Zoe setzte sich auf einen halbwegs stabil aussehenden Stuhl und betrachtete ihr Werk, sah dabei zu, wie die Sonne goldene Lichtflecke auf den glänzenden Boden warf.
Vor der Putzaktion hatte sie alle Tücher von den Möbeln und Gemälden gezogen, um sie später zu waschen – bis ihr bewusst geworden war, dass es in der Villa wahrscheinlich gar keine Waschmaschine gab.
Wenn man jetzt noch neue Vorhänge aufhängt und die Möbel aufpolstern lässt, wird das ein richtiges Prachtzimmer, dachte sie.
Dann musste sie sie wohl bei Gelegenheit mit der Hand waschen.
Seufzend stand sie wieder auf und ging zu einem der Bilder hinüber. Das alte Ölgemälde zeigte einen ernst aussehenden Mann in typischer Kleidung des neunzehnten Jahrhunderts. Ob er wohl mal hier gewohnt hatte? Der strenge Gesichtsausdruck des Mannes erinnerte sie an Leandros Blick von gestern …
Dann fiel ihr Blick auf das angelaufene Schild unten am Rahmen: Alfredo Filametti, 1817-1888, stand dort. Sie schnappte nach Luft, ihr Herz schlug schneller.
Als sie den Mann auf dem Bild erneut anschaute, stellte sie fest, dass er Leandro tatsächlich ziemlich ähnlich sah. Die beiden hatten die gleiche Kiefernpartie und die gleichen grünblauen Augen. Keine Frage: Alfredo Filametti war eindeutig Leandros Vorfahre. Also gehörte die Villa seiner Familie! Er hatte sie tatsächlich geerbt!
Abends bereitete sie in der Küche das Essen zu. In dem riesigen Ofen grillte sie Hähnchenbrust mit Basilikum und Zitrone, außerdem stellte sie einen einfachen Salat zusammen.
Auch diesmal deckte sie den Terrassentisch. Irgendwie freute sie sich schon auf das Essen mit Leandro – obwohl sie wusste, dass das nicht gut war.
Um kurz nach sieben stand das heiße, duftende Gericht auf dem Tisch, den sie mit wilden Orchideen aus dem Garten liebevoll geschmückt hatte. Zoe klopfte an die Tür von Leandros Arbeitszimmer. Als Antwort kam ein schwer zuzuordnendes Geräusch.
„Das Essen ist
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