Julia Sommerliebe 0023
schwieg einfach. Scheinbar endlos zog sich die Stille hin.
Schließlich zwang sich Zoe dazu, weiterzusprechen: „Inzwischen weiß ich, was ich will, Leandro. Und zwar geht es mir ganz bestimmt nicht nur darum, meinen Spaß zu haben. Außerdem bin ich mir gar nicht sicher, ob ich überhaupt schon mal meinen Spaß hatte. Du bist übrigens erst der zweite Mann, mit dem ich geschlafen habe. Bestimmt überrascht es dich, das von einem Mädchen wie mir zu hören.“
„Zoe …“ Er brach ab.
Was auch immer er hatte sagen wollen, er konnte die Worte nicht aussprechen, das wusste Zoe. Vorhin hatte er ihr die Wahrheit gesagt: Er konnte ihr nicht das geben, was sie sich von ihm wünschte. Und sie wünschte sich alles von ihm.
„Mir geht es überhaupt nicht darum, mir die Zeit zu vertreiben und mich zu amüsieren“, sagte sie. „Ich will ein Zuhause und eine Familie … und ich will geliebt werden.“ Sie lächelte. „Ich will einfach alles – aber nur mit dir! Ich konnte es mir noch nie mit jemand anderem vorstellen. Und bis vor Kurzem habe ich noch gehofft, dass es dir vielleicht genauso geht und dass du dir auch eine Zukunft mit mir vorstellen kannst. Aber das ist wohl nicht so.“
Mit ausdrucksloser Miene starrte Leandro sie an. Für Zoe war es kaum zu ertragen, so verwundbar zu sein. Jetzt hatte sie vor diesem Mann ihr ganzes Seelenleben offengelegt, und er interessierte sich wahrscheinlich nicht im Geringsten dafür. Überhaupt interessierte er sich nicht im Geringsten für sie.
„Es ist doch irgendwie komisch“, fuhr sie fort, um das eisige Schweigen zu beenden. „Dass ausgerechnet ein Brief deines Vaters mich aus meinen Wunschträumen geweckt hat. Die letzten beiden Monate, das war doch schließlich nur eine Illusion, oder? Dass wir hier zusammengewohnt haben, als wären wir ein … Paar …“ Ihre Stimme versagte, und Zoe schluckte.
„Wenn mein Vater mir so einen Brief geschrieben hätte, hätte ich ihn nie im Leben weggeworfen“, sagte sie dann. „Ich hätte ihn für immer aufgehoben und mich auf jeden Fall mit meinem Vater getroffen. Du weißt gar nicht, was du Wertvolles verpasst, indem du hart bleibst. Und was auch immer dein Vater dir angetan hat, Leandro – jetzt tut es ihm leid, und er liebt dich …“
„Ach, und das liest du alles aus ein paar italienischen Zeilen heraus?“, unterbrach Leandro sie und sah sie herablassend an. „Obwohl du die Sprache nicht mal beherrschst? Du hast ja keine Ahnung!“
Zoe betrachtete den großen, muskulösen Mann, der sie so wutentbrannt anfunkelte, und schüttelte den Kopf. „Du hast auch keine Ahnung“, sagte sie. „Außerdem kündige ich jetzt. Fristlos.“
Sie senkte den Kopf, damit er ihre Tränen nicht sah. Dann stürzte sie aus dem Zimmer.
Leandro blickte ihr nach. Dabei spürte er einen schmerzhaften Stich in der Brust, als hätte er gerade einen Marathonlauf hinter sich. Als würde es ihm das Herz zerreißen.
Aber das war natürlich völlig unmöglich. Er liebte Zoe Clark nicht, weil er nämlich niemanden liebte. Dafür hatte er schließlich gesorgt.
Er fluchte leise und wünschte, er hätte diese Frau nie eingestellt. Hätte sie nie kennengelernt, sich nie in sie verliebt …
Nein, Moment. Er war noch nicht einmal in sie verliebt, so ein Quatsch! Sie hatten einfach eine schöne Zeit miteinander verbracht. Und jetzt machte sie alles mit ihren albernen kleinen Schulmädchenträumen wieder kaputt. Für so naiv hätte er sie nie im Leben gehalten.
Ich will einfach alles, Leandro. Ich will ein Zuhause und eine Familie … und ich will geliebt werden.
War ihr denn gar nicht klar, dass das lauter Illusionen waren? Solche Dinge waren nie von Dauer. Seine eigenen Träume hatte sein Vater restlos zerstört. Und jetzt sollte er ihm das auch noch verzeihen?
Erneut fluchte Leandro. Nein, er würde diesem Mann niemals verzeihen. Da konnte er noch so viele Briefe schreiben. Nie wieder würde er diesen Menschen in sein Leben lassen, geschweige denn in sein Herz.
Auch sonst niemanden?
Die innere Stimme, die ihm diese Frage stellte, war sehr leise, und sie klang ausgesprochen kläglich.
Leandro ließ sich auf den Schreibtischstuhl seines Vaters sinken. Plötzlich erinnerte er sich daran, wie er als kleiner Junge auf Georgios Schoß gekrabbelt war, als dieser genau auf diesem Stuhl gesessen hatte. Er hatte mit den Stiften und den Zetteln gespielt, die auf der Tischplatte lagen, und sein Vater hatte bloß darüber gelacht. Es hatte ihn überhaupt
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