Julia Sommerliebe Band 22
Vermutung.
„Betrachten Sie es doch mal von der positiven Seite.“
Rafik folgte ihrem Rat und dachte, dass er auf diese Weise wenigstens nicht gezwungen war, zu sehen, wie Gabby mit Hakim die Ringe tauschte.
„Hat es denn eine positive Seite?“ Er wollte ihr Spiel mitspielen. Sie gab sich alle Mühe, sich nichts anmerken zu lassen, aber sie musste am Boden zerstört sein.
Sie runzelte die Stirn über seine sonderbare Frage. „Natürlich! Er heiratet – das ist doch genau das, was Sie sich gewünscht haben. Vielleicht tut sie ihm gut!“
„Das interessiert mich nicht mehr.“
Gabby glaubte Rafik keine Sekunde lang. Sie tätschelte seine Hand, was ihn erstarren ließ. Sie hätte die Hand fortgezogen, hätte er sie nicht mit seiner Hand bedeckt und festgehalten.
„Hakim wird Sie nie ersetzen können, egal, wen er heiratet.“ Sie hielt inne und fügte dann hinzu: „Sie müssen ihm vertrauen.“
Sein Griff um ihre Hand wurde fester. „Ausgerechnet Sie können den Namen meines Bruders und das Wort Vertrauen in einem Atemzug aussprechen …“
„Um mich geht es dabei nicht. Ich meine nur, dass Sie ihn seine Fehler machen lassen sollen. Vielleicht ist diese Frau genau das, was er braucht.“
Rafik sah sie verächtlich an. „Sie ist …“
„Ich weiß, eine Idiotin.“
Ihre gelangweilte Bemerkung verwunderte ihn. Er runzelte die Stirn. „Das ist unwichtig.“
Sein plötzlicher Kurswechsel verwirrte Gabby. „Jetzt ist es auf einmal unwichtig, wer Ihr Land regiert? Ich wünschte, das wäre Ihnen eingefallen, bevor ich meine Kündigung eingereicht und meine Katze weggegeben habe!“
Er errötete. „Das Verhalten meines Bruders Ihnen gegenüber war …“
Plötzlich war Gabby auf hundertachtzig. Jetzt reichte es ihr. Vor Wut zitternd richtete sie einen Finger auf seine Brust. „Sie wagen es, zu behaupten, dass Sie deswegen so außer sich sind, weil Ihr Bruder mich benutzt hat? Sie sind verdammt scheinheilig, Rafik! Ihre plötzliche Sorge um mein Wohlergehen ist doch nur eine Lüge! Das Einzige, was Ihnen zu schaffen macht, ist, dass Sie ausnahmsweise einmal nicht alles unter Kontrolle haben!“
„Unter Kontrolle?“
„Sie müssen immer alles unter Kontrolle haben. Und wissen Sie was? Sie sind der Idiot!“ Sie hielt inne und lachte über seinen erstaunten Gesichtsausdruck, ohne zu merken, wie ihr die Tränen die Wangen hinabliefen. „Sie sind so sehr damit beschäftigt, die Zeit nach Ihrem Tod zu planen, dass …“
Ihre Stimme wurde brüchig, und Gabby hielt inne. Dann zog sie ihre Hand weg, um sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. „… dass Sie vollkommen darüber vergessen, Ihr Leben zu genießen“, vollendete sie den Satz. „Was für eine Verschwendung! Sie sollten jede Minute nutzen, die Ihnen noch bleibt …“ Kopfschüttelnd wandte sie sich ab.
Keiner sagte ein Wort.
Rafik betrachtete ihre schmalen, zitternden Schultern.
„Es geht schon“, sagte sie schniefend, als er ihr eine Hand auf die Schulter legte. Bevor er etwas antworten konnte, fügte sie hinzu: „Schließlich bin ich nicht diejenige, die sterben wird.“
Oh Gott, warum hatte sie das nur gesagt?
10. KAPITEL
Rafiks Gesichtszüge wurden hart, als er die Hand von Gabbys Schulter nahm.
„Ich werde jetzt wohl wieder nach Hause fliegen“, sagte Gabby kleinlaut.
„Nach Hause?“
Sie drehte sich um, legte den Kopf zurück und sah ihm direkt ins Gesicht. Dann atmete sie tief durch. Hatte sie sich das nur eingebildet, oder hatte es das Kribbeln, als sich ihre Hände eben kurz berührten, tatsächlich gegeben? Die Begierde, die sie in seinem Blick gesehen hatte? War die ganze erotische Spannung zwischen ihnen nur Einbildung?
Ging das alles nur von ihrer Seite aus?
Du wirst es nie erfahren, wenn du nicht fragst, Gabby. Also los, Mädchen. „Nun gibt es für mich doch keinen Grund mehr hierzubleiben, oder?“
Er begegnete ihrem festen Blick mit einer hoffnungslosen Miene. Obwohl sie sich gedemütigt und enttäuscht fühlte, setzte sie ein Lächeln auf und zuckte mit den Schultern. „Ich werde das einfach als neue Erfahrung verbuchen. Ich habe bekommen, was ich wollte – Paul ist frei –, und hatte außerdem ein paar abwechslungsreiche Ferientage.“
„Sie werden nach Hause zurückkehren?“, fragte er mit seltsam belegter Stimme.
„Ja, ich fliege zurück nach Hause!“, rief sie verzweifelt. „Hatte ich das nicht schon gesagt?“ Sie schniefte und blinzelte, sodass die Tränen,
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