Julia Sommerliebe Band 23
schwieg er so lange, dass sie schon gar nicht mehr mit einer Antwort rechnete. Und schließlich kam sie doch: „Ja“, sagte er knapp.
„Wie lange denn?“
„Dreizehn Jahre, wenn Sie es unbedingt wissen wollen. Ich bin dort aufgewachsen.“
Im Geiste ging Zoe noch einmal durch die vielen Räume, die sie inzwischen so gut kannte. Sie betrachtete in Gedanken die antiken Möbel, die Bilder und Erinnerungsstücke einer Familie, die das Haus seit mehreren Generationen bewohnt hatte. Und Leandro war ihr Nachfahre.
Für jemanden wie sie, die nie ein richtiges Heim oder den Zusammenhalt einer richtigen Familie gekannt hatte, war diese Vorstellung überwältigend. Sie hatte nur ihre Mutter gehabt, und die hatte ihr die Fragen über ihre Herkunft nie beantwortet, sondern so getan, als wären sie beide einfach irgendwann vom Himmel gefallen.
Leandro hingegen hatte eine lange Familiengeschichte, das Gebäude war wahrscheinlich mit vielen, vielen Kindheitserinnerungen verknüpft. Und jetzt wollte er einfach alles weggeben, als ob es ihm nichts wert wäre.
Eine Mischung aus Ehrfurcht und Entsetzen überkam sie, gleichzeitig mit einer Gänsehaut.
„Ich kann einfach nicht glauben, dass Sie die Villa verkaufen“, sagte sie eindringlich.
Leandro fuhr zu ihr herum. „Als Einzelperson kann ich schlecht dort wohnen, das Haus ist einfach zu groß.“
„Warum eigentlich nicht? Spätestens, wenn Sie einmal heiraten und eine Familie gründen …“ Sie schluckte. Auf einmal sah sie Leandro vor sich, wie er mit einem Kind auf den Schultern durch den Garten ging, eine elegante, junge Frau an seiner Seite. Sie war wunderschön und schlank, aber vor allem eines: ein angemessener Umgang.
„Ich habe weder vor zu heiraten, noch eine Familie zu gründen“, gab Leandro tonlos zurück.
Überrascht blickte Zoe ihn an. „Nie?“
„Nie“, bestätigte er und lächelte kühl. „Warum überrascht Sie das eigentlich? Sie wirken auf mich auch nicht gerade so wie eine Frau mit Heiratsplänen.“
„Nicht?“ Sie bemühte sich um einen unbeschwerten Tonfall, neigte aber sicherheitshalber den Kopf, sodass ihr die Haare ins Gesicht fielen und er ihre Miene nicht erkennen konnte.
Seine Worte hatten sie tief verletzt. Erneut ließ sie die Finger durch das kalte Seewasser gleiten.
„Nein, überhaupt nicht“, bestätigte er entschieden.
Zoe versteifte sich. Schließlich schaute sie doch hoch und bemerkte dabei, dass er sie kritisch musterte. Was ihr ganz und gar nicht gefiel.
„Sie kommen mir eher wie ein Mädchen vor, das sich einfach nimmt, was es will, solange es die Möglichkeit dazu hat. Sie sind eine Frau, die ihren Spaß haben will und sich nicht weiter um die Folgen schert. Und der nichts im Leben wirklich wichtig ist.“
Seine Worte waren hart, brutal, ungerecht. Zoe blinzelte. Zuerst stand sie so sehr unter Schock, dass sie gar nichts fühlen konnte, aber als Leandro den Motor wieder anließ, spürte sie doch etwas: Sie fühlte sich verletzt und gedemütigt.
Das Blut schoss ihr in die Wangen, und ihre Augen brannten. Wieder musste sie an das Geld denken, das Steve ihr aufs Bett geworfen hatte – mit den Worten, dass er genug von ihr hatte.
Im Moment ging es allerdings ganz und gar nicht um Steve. Es ging ihr um Leandro, der auf der anderen Seite des Boots saß, stocksteif und sehr ernst. Der sie mit seinen schneidenden Worten verurteilt hatte.
Eine unbändige Wut erfüllte sie. Sie sprang auf und griff seinen Arm, zwang ihn auf diese Weise dazu, die Geschwindigkeit zu drosseln. Er wandte sich zu ihr um und funkelte sie an. Die Lippen hatte er zu einer schmalen Linie zusammengekniffen.
„Sie kennen mich doch überhaupt nicht“, sagte Zoe laut und deutlich.
Leandro lächelte dünn. „Ach, ich habe schon genug von Ihnen mitbekommen.“
„Wirklich?“ Sie zog eine Augenbraue hoch. „Also gut, wenn Sie hier schon wild herum spekulieren, dann mache ich das jetzt auch: Für mich sind Sie ein Mann, der permanent in der Vergangenheit lebt und deswegen blind für alles ist, was um ihn herum geschieht. Nichts von all dem Schönen rund um Sie erkennen Sie. Ihnen kommt kein freundliches Wort über die Lippen.“
Sie schnaubte verächtlich. „Ich habe keine Ahnung, was – verdammt noch mal – in Ihrer Familie passiert ist, dass Sie so abweisend und herablassend zu anderen Menschen sind. Aber wenn ich so ein tolles Haus hätte und so eine lange Familientradition … dann würde ich das nicht einfach wegwerfen, so wie
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