Julia Sommerliebe Band 23
zu Beginn ihrer Affäre. Da hatte er seinem atemberaubend heißen Verlangen nach ihr nachgegeben und ihr den Kopf verdreht.
Doch dann hatte er sie mit dem Kummer über den Tod ihres Babys allein gelassen und Trost in den Armen seiner verflossenen Geliebten gesucht. Antonio hatte es zwar hartnäckig geleugnet, und Claire hätte ihm vielleicht sogar geglaubt, wenn seine Mutter Rosina die heimliche Affäre nicht bestätigt hätte.
„Müssen wir unbedingt heute Abend noch ausgehen?“, fragte sie gereizt. „Warum können wir uns nicht erst morgen zum Dinner treffen – oder noch lieber übermorgen?“
„Weil die Zeit, die mir zur Verfügung steht, leider begrenzt ist. Ich habe morgen ein volles Programm vor mir, das bis zum späten Abend dauern könnte. Außerdem ahne ich, was du tust, wenn ich dir eine Schonfrist einräume. Wahrscheinlich würdest du für die nächsten drei Monate verschwinden, um jeden weiteren Kontakt mit mir zu vermeiden.“
Sie wandte den Blick ab, damit er nicht sehen konnte, wie genau seine Einschätzung ins Schwarze traf. Sie hatte sich hektisch verschiedene Fluchtwege ausgedacht, im Geist ihr mageres Bankkonto überschlagen und ausgerechnet, wie viel Bargeld ihr zur Verfügung stand, um unterzutauchen, bis er das Land wieder verließ.
Aber sie konnte Rebecca, von der sie im Laufe der Jahre immer unterstützt worden war, nicht einfach so im Stich lassen.
„Ich weiß genau, wie du tickst“, verkündete Antonio in die Stille. „Du würdest lieber über glühende Kohlen laufen, als einen Abend mit mir zu verbringen. Stimmt’s?“
Überrascht von der Bitterkeit in seiner Stimme sah sie ihm wieder ins Gesicht. Welchen Grund hatte er denn schon für Verbitterung? Nicht sie hatte ihre Ehe zerstört, sondern er, und zwar irreparabel. „Du erwartest doch sicherlich nicht, dass ich Purzelbäume schlagen vor lauter Freude, weil du dich mit Gewalt wieder in mein Leben drängen willst, oder?“
Seine Miene verhärtete sich. „Ich kann verstehen, warum du so viel Gewicht verloren hast. Es liegt zweifellos an deiner Überempfindlichkeit.“
Claire umklammerte ihre Handtasche so fest, dass ihre Finger zu schmerzen begannen. „Du glaubst, dass ich kein Recht habe, aufgebracht zu sein? Im Gegensatz zu dir habe ich nämlich Gefühle, und zwar sehr tiefe. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an unsere Tochter denke – daran, wie alt sie jetzt wäre, wie sie aussähe, was sie sagen und tun würde. Hast du jemals auch nur einen einzigen Gedanken an sie verschwendet?“
Sein Blick verdüsterte sich; der angespannte Zug um seinen Mund verstärkte sich; ein Muskel zuckte an seinem Kiefer. „Ich denke an sie“, sagte er mit rauer Stimme. „Natürlich denke ich an sie.“
Claire biss sich auf die Unterlippe, bis sie Blut schmeckte. Nein, sie wollte nicht in seiner Gegenwart zusammenbrechen. Sie wollte ihm nicht zeigen, wie verletzlich sie ihm gegenüber immer noch war. Sollte er sie durch eine Berührung zu trösten versuchen, würde sie sich verraten.
Sie würde ihm die Arme um den Nacken legen, sich an seinen Körper pressen – auf der Suche nach der Wärme und Stärke, die nur er ihr geben konnte. Jede Zelle ihres Körpers würde seine Anziehungskraft spüren, die sie in seine sinnliche Sphäre zog und sie verleitete, ihre Deckung zu vernachlässigen, bis keine Gegenwehr mehr übrig blieb. Je eher sie aus seiner Suite an einen öffentlichen Ort verschwand, desto besser.
Sie rang nach Atem und zwang sich, ihn anzusehen. „Einverstanden. Lass uns essen gehen. Ich habe das Mittagessen ausfallen lassen, und das Frühstück liegt schon sehr lange zurück.“
Antonio nahm die Codekarte und steckte sie in seine Brieftasche. „Keine Sorge, es wird nicht allzu lange dauern. Ich bin ziemlich kaputt, denn ich habe den Jetlag noch nicht ganz überwunden.“
Nun erst bemerkte Claire, wie müde er aussah. Unter seinen Augen lagen dunkle Schatten; die Furchen zu beiden Seiten seines Mundes wirkten tiefer als gewöhnlich. Er sah immer noch überwältigend gut aus – wahrscheinlich sogar mehr denn je. Vielleicht lag es daran, dass sie ihn so lange nicht gesehen hatte.
Ihr war entfallen, wie zwingend seine schokoladenbraunen Augen und wie dicht und dunkel seine langen Wimpern waren; wie sehr sein wundervoll geformter Mund mit der vollen Unterlippe von der Leidenschaft und Kraft kündete, die sie immer und immer wieder in ihm gespürt hatte.
Sie musste sich zwingen, den Blick von seinen Lippen
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