Julia Sommerliebe Band 23
Äußeren sind, und ich unterstütze sie voll und ganz, falls und wo es angebracht ist. Aber ich habe mich nie als jemand begriffen, der reine Nasenkorrekturen, Brustvergrößerungen oder Fettabsaugungen vornimmt. Wiederherstellungsarbeit hat mich immer gereizt. Zu erleben, wie ein von Geburt an oder durch Unfall entstellter Mensch sein Leben und seinen Platz in dieser Welt zurückgewinnt, ist ungeheuer befriedigend.“
„Ich habe einige deiner Arbeiten auf deiner Website gesehen“, eröffnete Claire. „Die Vorher-Nachher-Fotos sind wirklich verblüffend.“
Antonio griff zu seinem Glas. Seine Miene wirkte halb fragend, halb ironisch. „Ich bin überrascht, dass du dir die Mühe gemacht hast, überhaupt nachzusehen. Dabei dachte ich, du wolltest mich aus den Augen, aus dem Sinn haben.“
Claire verzog das Gesicht. „Meine Neugier hat wohl die Oberhand gewonnen. Die Entwicklung von dem überarbeiteten Assistenzarzt zu Beginn unserer Bekanntschaft zu dem, was du jetzt bist – dem weltweit führenden Arzt für plastische Chirurgie – nun, das ist ein ziemlich großer Sprung, den du vielleicht nicht geschafft hättest, wenn ich bei dir geblieben wäre.“
Er zog die dunklen Brauen zusammen. „Du scheinst eine ziemlich geringe Meinung von dir selbst zu haben“, bemerkte er. „Die ersten Jahre als Chirurg sind aufreibend, Claire. Das weißt du. Es ist wie in jedem anderen anspruchsvollen Beruf. Man muss alles geben und harte Durststrecken überwinden, bevor man die Früchte ernten kann.“
„Ich nehme an, zu diesen Früchten zählen – abgesehen von den finanziellen – die Horden von Frauen, die dir so hingebungsvoll nachlaufen“, warf sie missmutig ein.
Antonio stieß einen ungehaltenen Laut aus. „Du bist offensichtlich fest entschlossen, bei jeder Gelegenheit, die sich dir bietet, einen Streit vom Zaun zu brechen. Nun, wenn du unbedingt Zoff willst, den kannst du haben – aber nicht hier und nicht jetzt. Ich weigere mich, über einen Tisch in einem öffentlichen Lokal hinweg Beleidigungen mit dir zu tauschen.“
Sie verkrampfte die Hände unter dem Tisch; ihr Magen zog sich in vertrauter Manier zusammen. „Ich sehe nicht ein, warum es nötig sein sollte, dass ich bei dir einziehe.“ Nervös befeuchtete sie sich die trockenen Lippen. „Wir können doch einfach von einem Tag auf den anderen prüfen, wie es sich mit uns entwickelt. Du weißt schon, gelegentlich mal ein Date oder so, um zu sehen, ob es überhaupt klappt.“
Er sah sie amüsiert an. „Komm schon, Claire, das Stadium haben wir doch längst hinter uns gebracht, oder? Du hast früher gern das Bett mit mir geteilt und richtig Spaß am Sex mit mir gehabt. Ich bin ziemlich sicher, dass es dir nicht allzu schwerfallen wird, es wieder zu tun. Vor allem, da dir ein finanzieller Vorteil winkt.“
Claire konnte seinem spöttischen Blick nicht standhalten.
Sein erschreckend negatives Urteil über sie schockierte sie. Er behandelte sie wie ein habgieriges Weibsbild, das bereit war, mit ihm zu schlafen, nur um Profit daraus zu schlagen. „Ich will dein Geld nicht“, sagte sie steif. „Ich wollte es nie.“
Er stellte sein Glas so heftig ab, dass der Rotwein bis an den Rand aufspritzte und beinahe überschwappte. „Das entspricht wohl nicht ganz der Wahrheit, oder?“
Sie verschlang die Hände noch fester miteinander und zwang sich, Antonio wieder anzusehen. „Ich wollte deine Zeit. Aber du warst immer zu sehr anderweitig beschäftigt, um sie mir zu geben.“
„Ich habe dir gegeben, was ich konnte.“ Er runzelte die Stirn. „Ich weiß, dass es nicht genug war. Du bist manchmal zu kurz gekommen, weil ich in erster Linie für meine Patienten da sein musste. So ist es auch heute noch. Wirklich engagierte Spezialisten empfinden genauso. Wir halten Leben in unseren Händen. Das ist eine ungeheure Verantwortung, weil alle Patienten jemandes Sohn oder Tochter, Ehemann oder Ehefrau, Bruder oder Schwester sind.“
„Was ist denn mit deiner eigenen Tochter gewesen, Antonio?“ Tränen traten ihr in die Augen. „Der Spezialist, den du mir empfohlen hattest, schaffte es nicht, rechtzeitig zu erscheinen. Ebenso wenig wie du. Ich habe mich im Stich gelassen gefühlt. Ihr beide habt unser Baby im Stich gelassen.“
Antonio hasste diese Diskussion, die sie schon so oft geführt hatten, ohne etwas Positives zu erreichen. Sie wirkte nur wie ein Stich in ein Wespennest und rührte all die Schuldgefühle auf, die tief in ihm schlummerten.
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