Julia Sommerliebe Band 24
kann niemanden fragen, ohne Misstrauen zu wecken, und ich will die Sache so diskret wie möglich aufklären.“
„Hast du mit ihren Freunden gesprochen?“
„Sie durfte keine haben. Kalila ist sehr behütet aufgewachsen.“
Die Prinzessin hatte etwas in dieser Richtung erzählt, erinnerte sich Avery. Sie selbst hatte die Vorstellung merkwürdig gefunden, als Gefangene im Luxus zu leben, weggesperrt von der Realität. „Du willst sie heiraten, Malik. Du bist derjenige, der wissen sollte, wo sie sich aufhält.“
„Wir haben sehr wenig Zeit miteinander verbracht.“ Malik drehte sich wieder zum Fenster und kehrte Avery den Rücken zu. „Mein Fehler. Ich bin von falschen Voraussetzungen ausgegangen.“
„Wie du es ständig tust. Du glaubst zu wissen, was für andere Menschen am besten ist.“
„Das ist jetzt unwichtig. Ich muss Kalila finden. Sollte die Hochzeit platzen, würde das ernsthafte diplomatische Folgen haben.“
„Diplomatische Folgen.“ Sie schlug die Augen zum Himmel. „Sehr romantisch. Wundert mich gar nicht, dass deine Verlobte durchgebrannt ist.“
„Und mich wundert es, dass du weißt, was Romantik ist.“
„Warum? Weil ich selbst keine Romantikerin bin? Um mich geht es hier nicht. Hat Kalila nie angedeutet, was in ihr vorgeht? Ich meine, ihr beide kennt euch doch schon seit Jahren.“
„Wir haben kaum ein Dutzend Sätze gewechselt.“
Avery verbarg ihre Überraschung. „Ach so“, sagte sie nur. Kann man eine Unbekannte lieben? Warum will er Kalila so rasch heiraten, wenn er sie nicht liebt? Moment mal. Wegen mir? Er war zornig, weil ich ihm den Laufpass gegeben habe. Vielleicht wollte er mich auch auf diese Weise kränken.
„Bei unseren wenigen Gesprächen hat Kalila mir stets beigepflichtet.“
Sie dachte daran, wie Malik und sie über alle möglichen Themen diskutiert hatten, von Wirtschaft bis hin zu Menschenrechten. Schwer vorstellbar, dass ein Mann wie er mit einer Frau glücklich sein konnte, die ihm ständig zustimmte. Avery vermutete, dass Malik sich in einer solchen Ehe unendlich langweilen würde. Sie gönnte es ihm. Falls er sich tatsächlich verlobt hatte, um sie zu treffen, sollte er ruhig leiden. „Wenn sie so gehorsam ist, hättest du ihr vielleicht einen Befehl geben sollen: Platz.“
„Dein Sarkasmus ist unangebracht. Ich bin hergekommen, weil ich hoffte, du wüsstest etwas über Kalilas Aufenthaltsort.“
„Tu ich nicht. Und ich finde es befremdlich, dass du dich ausgerechnet bei mir erkundigst.“
„Du und ich – wir waren Freunde.“ Malik wandte seinen Kopf, um Avery anzusehen. „Ich frage dich als Freund. Es gibt nur wenige Menschen, denen ich vertrauen kann, und du gehörst dazu. Trotz allem, was zwischen uns passiert ist. Würdest du noch etwas für mich empfinden, hätte ich dich nicht behelligt. Da du aber Schluss gemacht hast, gehe ich davon aus, dass ich dir nichts mehr bedeute. Oder irre ich mich?“
Was sollte sie dazu sagen? Dass sie jede Nacht von ihm träume? Dass sie unkonzentriert war und doppelt so lange für einfache Aufgaben brauchte wie sonst? Dass sie sich nach der Trennung kaum wiedererkannt hatte und im Spiegel auch heute noch eine Fremde sah?
Ihr Herz schlug so heftig gegen die Rippen, dass sie fast glaubte, Malik müsse es sehen. Würdest du noch etwas für mich empfinden, hatte er gesagt. Kein Wort über seine eigenen Empfindungen.
„Nein, du hast dich nicht geirrt“, bestätigte sie in dem frostigen Ton, mit dem sie aufdringliche Männer abblitzen ließ. „Unsere Vergangenheit hat nichts damit zu tun, dass ich dir nicht weiterhelfen kann.“
„Worüber habt Kalila und du euch unterhalten?“
„Das weiß ich nicht mehr genau.“ Avery wollte sich nicht damit beschäftigen. Für sie war jede der Unterhaltungen eine Tortur gewesen. Da Malik sich mit dieser Antwort jedoch nicht begnügen würde, ergänzte sie: „Schuhe, Kleider, Schulbildung für Frauen. Solche Sachen. Kalila hat nie auch nur angedeutet, dass sie weglaufen wollte.“
Oder doch? Avery runzelte die Stirn.
Malik reagierte sofort: „Was?“
„Nichts.“
„Dein Nichts ist meine einzige Spur.“
„Also gut. Könnte sie in der Wüste sein?“
„Ausgeschlossen. Kalila hasst die Wüste.“
„Ich weiß.“ Avery hatte nicht begriffen, warum eine junge Frau, die in der Wüste aufgewachsen war, eine solche Abneigung dagegen hatte. Und noch weniger, warum diese Frau jemanden heiraten wollte, der die Wüste liebte. „Sie hat mir erzählt, dass
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