Julia Sommerliebe Band 24
schmales Gehalt ihr erlaubte, dachte sie bedauernd.
„Ich werde da sein. Aber jetzt musst du mich entschuldigen.“
Sie drehte sich um, entfernte sich von ihm und kämpfte gegen die Tränen an. Sie weinte selten. Seit der Fehlgeburt waren ihr nur wenige Dinge wichtig genug für Tränen erschienen. Aber heute fuhren ihre Gefühle mit ihr Achterbahn. Dimitri wiederzutreffen, weckte schmerzhafte Erinnerungen.
Sie wünschte sich, sie müsste ihn nicht noch einmal sehen. Aber vielleicht würde er heute Abend endlich dem Kauf von Eirenne zustimmen. Den Verkauft selbst würden dann ihre Anwälte regeln, Dimitri würde nach Griechenland zurückkehren, und vielleicht würde es ihr dann gelingen, wenn sie sich nur genug anstrengte, ihn zu vergessen. Aber wie sehr sie sich das auch einzureden versuchte, die Worte klangen genauso hohl wie ihre Schritte auf dem Boden der Galerie.
Sie zwang sich zu einem Lächeln, als sie die Besuchergruppe erreichte, und begann die Führung mit den Gemälden in der Grande Galerie. Normalerweise genoss sie die Führungen, aber zu ihrer Bestürzung hatte sich Dimitri der Gruppe angeschlossen, statt, wie sie erwartet hatte, das Museum zu verlassen. Er machte keinerlei Versuch, sich mit ihr zu unterhalten, lauschte nur aufmerksam, während sie über die verschiedenen Kunstwerke sprach. Sie bemühte sich, ihn zu ignorieren und sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, doch seine Gegenwart irritierte sie – insbesondere als sie bemerkte, dass er eher sie anschaute anstatt die Raphaels und Caravaggios an den Museumswänden.
Aus der Grande Galerie führte sie die Gruppe in den Salle d’Etats, wo das rätselhafte Lächeln der Mona Lisa hinter kugelsicherem Glas beschützt hing. Das berühmteste Porträt der Welt brauchte kaum eine Einführung, und Louise hielt sich im Hintergrund, während die Besucher sich an der Barriere drängten.
„Das berühmteste Gemälde der Welt ist ja viel kleiner, als ich dachte“, murmelte Dimitri trocken.
Louise spannte sich an, als er neben sie trat, konnte aber ein Lächeln nicht zurückhalten. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie oft ich das schon gehört habe. Ich hoffe, du bist nicht enttäuscht. Die Mona Lisa ist ein großartiges Gemälde. Aber mir gefällt die Hochzeit zu Kana besser.“ Sie wandte sich zu dem riesigen Gemälde an der gegenüberliegenden Wand um. „Die Farben sind so intensiv, dass man fast meint, die Figuren würden gleich von der Leinwand springen.“
„Du liebst deine Arbeit, oder? Ich spüre deine Leidenschaft.“
Etwas in Dimitris Stimme ließ ihr Herz einen Moment lang aussetzen. Leidenschaft war so ein provozierendes Wort. Es weckte Erinnerungen an die brennende Leidenschaft, die sie auf Eirenne miteinander geteilt hatten – Louise spürte, wie sie schon wieder errötete. Sie warf ihm einen Blick zu und entdeckte, dass er sie konzentriert anschaute, als erinnerte auch er sich an diese Bilder aus der Vergangenheit.
„Ich fühle mich sehr geehrt, im Louvre arbeiten zu dürfen“, gab sie zu, dankbar, dass sie ruhig und gefasst klang, auch wenn sie sich ganz und gar nicht so fühlte. „Aber ich bin überrascht, dass du dich der Führung angeschlossen hast. Interessierst du dich für Kunst?“
Er zuckte mit den Schultern. „Ich habe mich nie eingehend damit beschäftigt, aber selbst einem Laien ist es unmöglich, nicht von der Geschichte und Schönheit dieser Meisterwerke beeindruckt zu sein. Ich habe die Führung genossen. Mit deiner Begeisterung und deinem Wissen schaffst du es, diese großen Meister lebendig werden zu lassen.“
Louises melodiöse Stimme und ihr beeindruckendes Wissen hatten ihn wirklich fasziniert, doch wenn Dimitri ehrlich war, musste er zugeben, dass er mehr Zeit darauf verwandt hatte, die attraktive Führerin zu studieren statt der Gemälde. Sie war wirklich wunderschön, und er schämte sich ein wenig für seine erotischen Fantasien, in denen er ihr den sittsamen Rock und die Bluse herunterriss und heißen, hungrigen Sex mit ihr hatte. Auf einer der roten Plüschsamt-Sitzbänke, die überall in der Galerie standen.
Er wusste ja nicht einmal, was er hier tat. Ja, er wollte die Insel kaufen, aber in Wahrheit war er fasziniert von Louise. Sie wiederzusehen, hatte die Erinnerungen an ihre kurze gemeinsame Zeit geweckt. Und so war er nach Paris gekommen und hatte die letzten Stunden damit verbracht, Gemälde von übergewichtigen Himmelsboten anzuschauen, während er eigentlich an dem Deal mit den Russen
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