Julia Sommerliebe Band 24
wusste, dass es dich verunsichern würde. Ich wollte etwas Zeit vergehen lassen, bevor ich dir alles sage. Erst sollte das Band zwischen uns fester werden, damit du das Testament verkraften kannst, ohne an mir zu zweifeln.“
Avery stand stocksteif da. „Du hättest es mir erzählen sollen.“
„Ich hätte dich ohnehin geheiratet. Der zeitliche Zusammenhang mit der Frist im Testament spielt keine Rolle. Er hat mit unserer Zukunft nichts zu tun.“
„Es fällt mir schwer, das zu glauben.“
„Lass mich dir eine Geschichte erzählen. Danach kannst du dein Urteil fällen.“ Malik ging zur anderen Seite des Saales und starrte aus dem Fenster. „Mein Großvater hatte zwei Söhne. Zwillinge. Der Erstgeborene sollte Thronfolger werden, doch niemand wusste, welcher Zwilling zuerst auf die Welt gekommen war.“
„Wie kann das sein?“, fragte Avery misstrauisch.
Er wandte sich zu ihr um: „Während der Geburt gab es Komplikationen. Alle waren so besorgt um die Gesundheit meiner Großmutter, dass die Hebamme den Überblick verloren hat. Normalerweise ist das keine große Sache, aber in der Familie eines Sultans … Mein Großvater beschloss, Zubran zu teilen und jedem Sohn eine Hälfte zu vermachen. Allerdings sollte das Reich nur für die Dauer einer Generation getrennt sein. Die Aufgabe der Zusammenführung fiel dem erstgeborenen Enkel meines Großvaters zu. Also mir, denn mein Onkel starb kinderlos. Er fand meinen Lebenswandel dekadent und wollte meinem Vater nicht glauben, als der sagte, ich würde nicht anders leben als jeder andere junge Mann. Schließlich haben sie sich geeinigt. Mein Onkel nannte mich in seinem Testament als Nachfolger, unter der Bedingung, dass ich vor meinem 32. Geburtstag heirate. Ansonsten fällt die Nachfolge in seinem Teil von Zubran an einen entfernten Cousin.“
„Dann würde das Land geteilt bleiben?“
„Ja. Ich wusste schon immer, dass ich heiraten muss, um Zubran zu vereinen. Allerdings bin ich lange davon ausgegangen, eine politisch motivierte Ehe schließen zu müssen. Ich habe viele Frauen getroffen, konnte mir aber nie vorstellen, den Rest meines Lebens mit einer von ihnen zu verbringen. Bis ich dir begegnet bin.“
Avery schaute ihm in die Augen. „Warum hast du das Testament nie erwähnt?“
„Stell dir vor, ich hätte gesagt, dass ich bis zu meinem 32. Geburtstag heiraten muss. Hättest du dir auch nur ein einziges weiteres Wort von mir angehört? Ausgerechnet du, die ständig Beweise sucht für die Theorie, dass Beziehungen zum Scheitern verurteilt sind? Du wärst doch davon überzeugt gewesen, dass ich dich nicht aus Liebe umwerbe. Genau, wie du es in diesem Moment bist.“
Avery fühlte sich ertappt und verlagerte das Gewicht von einem Bein auf das andere.
Malik nickte. „Genau. Du hättest mir keine Chance gegeben. Also behielt ich die Sache für mich – in der Hoffnung, dass du nichts erfährst, bis du mir genug vertraust, um dich von dem Testament nicht beirren zu lassen. Das Ultimatum ist fast abgelaufen. Meinem Vater, meinem Volk und auch mir liegt es am Herzen, dass Zubran wieder ein Reich wird. Aber das beeinflusst nicht meine Gefühle für dich.“
„Was, wenn ich dich abgewiesen hätte?“
Malik wollte nicht, dass Avery diese Frage stellte. Sich selbst wollte er sie auch nicht stellen, denn es gab nur eine einzige Antwort darauf. „Dann hätte ich eine andere Frau geheiratet. Wenn du reich und mächtig bist, findet sich immer jemand, der auf Romantik verzichtet. Das wirst du jetzt zweifellos auf deine Liste der Gründe schreiben, warum unsere Ehe nicht halten kann. Ein Mann, der heiraten muss, ist ein Mann, dessen Ehe scheitern wird. Deine Mutter hätte es nicht besser formulieren können.“
Er wartete darauf, dass sie den Vorwurf zurückschleuderte und beteuerte, sie würde ganz anders denken. Doch Avery schwieg, und der Ausdruck in ihren Augen sprach Bände.
„Malik“, begann sie schließlich leise.
Er wollte sie nicht aussprechen lassen, aus Angst, dass sie ihm sagen würde, es sei aus. „Ist dir je der Gedanke gekommen, dass deine Mutter unrecht haben könnte? Du willst deinen Vater nicht kontaktieren, aber vielleicht könnte er Aufschluss über die Trennung deiner Eltern geben. Möglicherweise ist ja nicht ausschließlich er verantwortlich. Es könnte doch sein, dass deine Mutter die Beziehung geopfert hat. So, wie sie durch ihre Erziehung jede deiner Beziehungen zerstört hat.“
Avery war blass. Malik betrachtete sie mit einer
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