Julia Sommerliebe Band 24
Dem Bauchumfang nach zu urteilen war die Frau im letzten Stadium ihrer Schwangerschaft. Bonnie trat noch einen Schritt näher.
„Hallo. Ich heiße Bonnie“, sagte sie auf Englisch. „Leider spreche ich kein Balinesisch.“
„Mein Name ist Mardi“, antwortete die Schwangere. „Vor meiner Heirat habe ich in einem Restaurant für Touristen gearbeitet. Ich verstehe, was Sie sagen.“
„Ihr Englisch ist sehr gut! Ganz im Gegensatz zu meinem Balinesisch – ich kann gerade einmal Hallo und Guten Tag sagen.“ Bonnie bemühte sich um einen heiteren Tonfall. „Haben Sie Schmerzen?“
„Ja, schon seit ein paar Tagen. Aber mein Baby soll erst nächsten Monat geboren werden.“ Sie strich sich über den Bauch. „Ich hoffe, dass es bald wieder einschläft.“
4. KAPITEL
Wenn sie in Mardis verzerrtes Gesicht sah, bezweifelte Bonnie, dass die Schmerzen nachlassen würden. Es sah ganz so aus, als hätten die Eröffnungswehen bereits eingesetzt. Sie wartete ab, bis die nächste Welle vorüber war, und sagte dann mit sanfter Stimme: „Vielleicht möchte Ihr Baby schon heute auf die Welt kommen.“
Ängstlich schlug Mardi die Augen nieder. „Nein, nicht heute. Mein Mann ist bei der Arbeit. Wir müssen noch eine Weile sparen, damit wir die Hebamme bezahlen können.“
Bonnie wusste, dass die Natur sich von solchen Überlegungen nicht aufhalten ließ. „Können Sie nicht in ein Krankenhaus gehen?“
„Das ist noch viel teurer.“ Erneut verzog die junge Frau das Gesicht.
„Ich denke, Sie haben bereits Geburtswehen. Sind die Schmerzen schon in den vergangenen Tagen so heftig und in kurzen Abständen aufgetreten?“
Mardi schüttelte den Kopf. Tränen glänzten in ihren großen braunen Augen. „Ich habe Angst.“
Angst war das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnten. „Ist Ihre Mutter oder Ihre Schwiegermutter in der Nähe?“
„Meine Mutter lebt nicht hier im Dorf. Und die Mutter meines Mannes ist bei seiner Geburt gestorben. Seine Großmutter sieht nicht mehr gut. Es gibt noch meine Schwägerin. Sie hat ihren Sohn im Krankenhaus bekommen.“
Bonnie hätte die Frau am liebsten in den Arm genommen, wollte aber nicht aufdringlich sein. „Ich bin selbst Hebamme. Möchten Sie, dass ich Ihnen helfe?“ Sie blickte sich suchend nach Harry um, aber er stand in einiger Entfernung in ein Gespräch mit den beiden Portugiesinnen vertieft.
Bonnie ließ ihn nicht aus den Augen, als könnte sie ihn durch bloße Willenskraft dazu bewegen, sich umzudrehen. Tatsächlich unterbrach er kurz darauf seine Unterhaltung und sah in ihre Richtung. Mit ein paar schnellen Schritten war er an ihrer Seite.
Er nickte Mardi zu und sah Bonnie fragend an. „Ist alles in Ordnung?“
Bonnie war verblüfft. Wie hatte er so schnell reagiert? Bestand am Ende eine Art telepathische Verbindung zwischen ihnen? Der Gedanke behagte ihr ganz und gar nicht.
Sicher war es nur ein Zufall gewesen.
Mardis Stöhnen erinnerte sie an ihr eigentliches Problem. „Bei Mardi haben die Wehen eingesetzt. Wir müssen ihren Ehemann benachrichtigen. Er ist außerhalb des Dorfes bei der Arbeit.“ Bonnie wäre inzwischen jede Wette eingegangen, dass die Geburt kurz bevorstand.
Zu ihrer Überraschung wurde Harry kreidebleich. Doch er schien den Ernst der Lage zu erkennen. „Unser Bus steht kurz hinter dem Dorf. Ich fahre euch ins Krankenhaus.“
Eine einsame Träne lief über Mardis Wange. „Aber ich will nicht ohne meinen Mann ins Krankenhaus.“
„Sie können sich die Behandlung nicht leisten“, murmelte Bonnie in Harrys Richtung. Er nickte, aber wirkte nicht zufrieden mit ihrer Antwort.
„Aber wird das Baby sich gedulden, bis ihr Mann zurück ist?“ Seine Augen verrieten einen Anflug von Panik, was Bonnie abermals erstaunte. Andererseits wusste sie, dass Menschen, die keine medizinische Ausbildung besaßen, mit einer Geburtssituation oft überfordert waren.
„Bei einer Geburt handelt es sich um einen ganz natürlichen Vorgang“, versuchte sie ihn zu ermutigen. „Kannst du bitte Mardis Schwägerin holen? Und wenn möglich einen Arzt.“ Beruhigend strich sie Mardi über den Arm. „Vielleicht können wir zu Ihrem Haus gehen und ein paar Sachen packen, damit wir bereit sind, wenn Ihr Mann kommt?“
In Wahrheit war Bonnie daran gelegen, einen ruhigen Ort für die Geburt zu finden, falls das Baby nicht mehr lange auf sich warten ließ.
„Ja, das können wir tun“, flüsterte Mardi und erhob sich schwankend. Bonnie bedauerte, dass sie keine
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