JULIA WEIHNACHTSBAND Band 22
Bram gerade auf dem Weg nach Hause, als er eine einsame Gestalt entdeckte, die mit gesenktem Kopf durch die Felder trottete. Es war Sophie. Bram stoppte den Traktor und wartete, bis sie ihn erreicht hatte. Ihre gereizte Stimmung bestätigte ihm, dass etwas ganz und gar nicht stimmte.
Wortlos war sie zu ihm getreten. Sie streichelte seine Hündin Bess, die sie wie üblich begeistert begrüßte. Doch dann blickte Sophie hoch, und sein Herz zog sich zusammen, als er den verzweifelten Ausdruck in ihren Augen sah.
Wortlos rückte er zur Seite, um ihr auf dem Traktor Platz zu machen. Eine ganze Weile saßen sie schweigend da, während die Abendsonne die sanften Hügel in ein goldenes Licht tauchte. Es war gespenstisch still, nur Bess, die im Schatten neben dem Traktor lag, japste leise.
„Ich habe immer gedacht, es ist zu schön, um wahr zu sein“, sagte Sophie schließlich. Das Schlimmste für Bram war, sie so zu hören. Ihre Stimme hatte immer gesprudelt vor Leben, doch jetzt klang sie völlig ausdruckslos.
„Möchtest du darüber reden?“, fragte er vorsichtig.
„Eigentlich habe ich versprochen, dass ich es niemandem erzähle.“
„Nicht mal deinem ältesten Freund?“
Unendliche Qual lag in ihren Augen. „Ich glaube, du bist der Einzige, der es verstehen kann.“
„Dann erzähl es mir“, bat Bram. „Geht es um Nick?“
Betrübt nickte Sophie. „Er liebt mich nicht mehr.“
„Was ist passiert?“
„Er hat Melissa gesehen. Ein Blick genügte, um mich zu vergessen und sich in sie zu verlieben.“ Sie schluckte schwer. „Ich musste ihn nur ansehen und wusste, dass es aus ist mit uns.“
„Ach, Sophie …“ Bram wusste nicht, was er sagen sollte.
„Ich hätte damit rechnen müssen“, fuhr sie fort. „Du kennst doch Melissa.“
Bram wusste, was sie meinte. Sophies Schwester war das schönste Mädchen, das er je gesehen hatte. Ihre ätherische, helle Schönheit schien nicht in die derbe Landschaft Yorkshires zu passen, im Gegensatz zu Sophies lebendiger und sprühender Robustheit.
Es war kaum zu glauben, dass diese beiden Mädchen Schwestern waren. Melissa war ganz anders als Sophie. Eine liebliche, zerbrechliche Erscheinung, der nur wenige Männer widerstehen konnten. Auch Bram war ihr einst verfallen, doch ihre kurze Verlobungszeit vor zehn Jahren schien ihm im Rückblick manchmal nicht mehr als ein schöner Traum. Wie konnte ein praktisch veranlagter, durchschnittlicher Mann wie er auch jemals hoffen, einen solchen Schatz sein Eigen nennen zu dürfen?
Deshalb verübelte er es Nick auch nicht, dass er sich in Melissa verliebt hatte. Aber er hasste ihn dafür, dass er Sophie verletzt hatte.
„Und was hast du gemacht?“
„Was konnte ich schon machen? Es wäre doch unmöglich gewesen, so zu tun, als sei nichts geschehen. Als wir abends nach Hause kamen, habe ich ihm gesagt, dass es sinnlos sei, uns alle drei unglücklich zu machen.“ Ein Anflug von Verbitterung lag in ihrem Lächeln. „Ich habe ihn gehen lassen. Ella meinte, dass ich um ihn kämpfen soll, aber was könnte ich schon gegen Melissa ausrichten?“
„Vielleicht hätte er sie vergessen, sobald sie gegangen wäre“, gab Bram zu bedenken. Er selbst hatte diese Erfahrung mit Melissa gemacht. Solange sie da war, konnte man den Blick nicht von ihr lassen. War sie fort, erinnerte er sich manchmal kaum noch daran, wie sie war, was sie gesagt hatte oder was er selbst fühlte – außer, dass ihre zarte Schönheit ihn geblendet hatte.
Bei Sophie war es anders. Sie hatte nicht Melissas makelloses Aussehen, und trotzdem hatte er sie immer lebhaft vor Augen, ihre Miene, ihr Lachen und ihre ausholenden Gesten, mit denen sie ihre Worte unterstrich. Sophie konnte er sich immer ganz genau vorstellen.
„Vielleicht hätte ich gekämpft, wäre es nicht um Melissa gegangen“, erklärte Sophie. „Aber ich habe ihr Gesicht gesehen. Sie ist es gewohnt, dass die Männer sie anbeten, aber ich glaube, sie selbst hat vorher noch nie wirklich etwas für einen Mann empfunden.“
Abrupt hielt sie inne. Zu spät war ihr bewusst geworden, dass Bram ziemlich lange in ihre Schwester verliebt gewesen war. Und Bram zu verletzen war das Letzte, was sie wollte. „Tut mir leid“, sagte sie zerknirscht.
„Ist schon in Ordnung. Ich weiß, was du meinst.“ Sophie hatte recht. Melissa war es eher gewohnt, geliebt zu werden als selbst zu lieben.
„Ich glaube, bei Melissa war es Liebe auf den ersten Blick“, fuhr Sophie fort. „Es hat sie völlig
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