Julia
gebohrt. »Das ist doch bloß ein raffinierter Plan, um mich hinter Gitter zu bringen.«
Er breitete die Hände aus. »Wenn ich Sie hinter Gitter bringen wollte, brauchte ich mir keinen raffinierten Plan auszudenken, oder?«
»Wissen Sie, was?« Ich machte mich so groß, wie ich nur konnte. »Ihre Machtspielchen gefallen mir nach wie vor nicht!«
Dass ich mich so aufplusterte, brachte ihn zum Lachen. »Warum hören Sie dann nicht selber auf zu spielen?«
Auf der Polizeiinspektion von Siena war es sehr ruhig. Die Wanduhr war irgendwann in der Vergangenheit um zehn vor sieben stehengeblieben, und während ich dort so saß und mir eine Seite voller digitalisierter böser Jungs nach der anderen ansah, fühlte ich mich, als würde auch meine eigene Batterie langsam den Geist aufgeben. Je eingehender ich die Gesichter auf dem Computerbildschirm studierte, umso klarer wurde mir, dass ich, um ehrlich zu sein, gar keine Ahnung hatte, wie mein Verfolger aus der Nähe aussah. Bei unserer ersten Begegnung hatte der Mistkerl eine Sonnenbrille getragen, beim zweiten Mal war es so dunkel gewesen, dass ich nicht viel erkennen konnte, und beim dritten Mal - vor wenigen Stunden - war ich viel zu sehr auf die Waffe in seiner Hand fixiert gewesen, um mir seine Visage genauer einzuprägen.
»Es tut mir leid ...« - ich wandte mich an Alessandro, der neben mir die Ellbogen auf die Knie gestützt hatte und geduldig auf meinen Heureka-Moment wartete, »aber ich erkenne niemanden wieder.« Entschuldigend lächelte ich zu der Beamtin hinüber, die für den Computer zuständig war. Mir war voll und ganz bewusst, dass ich nur ihre Zeit verschwendete.
»Mi dispiacer.«
»Kein Problem«, antwortete sie und erwiderte mein Lächeln, weil ich eine Tolomei war, »es wird bestimmt nicht lange dauern, bis wir die Fingerabdrücke verglichen haben.«
Bei unserer Ankunft in der Polizeiwache hatte Alessandro als Erstes den Einbruch im Eulenmuseum gemeldet, woraufhin sofort zwei Streifenwagen losgeschickt wurden. Die vier Beamten waren sichtlich begeistert darüber, dass sie es endlich einmal mit einem richtigen Verbrechen zu tun hatten. Falls der Kerl tatsächlich so blöd gewesen war, im Museum irgendwelche Spuren oder gar Fingerabdrücke zu hinterlassen, dann war es nur eine Frage der Zeit, bis wir seinen Namen kannten - natürlich nur unter der Voraussetzung, dass er vorher bereits einmal verhaftet worden war.
»Während wir warten, könnten wir doch mal einen Blick auf Romeo Marescotti werfen«, schlug ich vor. »Meinen Sie nicht auch?«
Alessandro runzelte die Stirn. »Sie glauben wirklich, dass Peppo recht hat?«
»Warum nicht? Vielleicht war er es tatsächlich. Womöglich ist er schon die ganze Zeit hinter mir her.«
»In einem Trainingsanzug? Das glaube ich nicht.«
»Warum nicht? Kennen Sie ihn?«
Alessandro holte tief Luft. »Ja, aber sein Bild ist nicht in dieser Kartei. Das habe ich schon überprüft.«
Sprachlos vor Überraschung starrte ich ihn an. Ehe ich weiter nachhaken konnte, betraten zwei Polizeibeamte den Raum. Einer hatte einen Laptop dabei, den er nun vor mich hinstellte. Da keiner von beiden Englisch sprach, musste Alessandro übersetzen. »Sie haben im Museum einen Fingerabdruck gefunden«, erklärte er, »und sie möchten, dass Sie sich ein paar Bilder ansehen und ihnen sagen, ob Ihnen jemand bekannt vorkommt.«
Ich wandte mich zu dem Display um. Darauf waren fünf männliche Gesichter aufgereiht, die mir alle mit der gleichen Mischung aus Apathie und Abscheu entgegenstarrten. Ich betrachtete sie eine Weile. »Hundertprozentig sicher bin ich mir nicht, aber wenn Sie wissen wollen, wer meinem Verfolger am ähnlichsten sieht, dann würde ich sagen, Nummer vier.«
Nach kurzer Rücksprache mit den Beamten nickte Alessandro. »Das ist der Mann, der ins Museum eingebrochen ist. Jetzt möchten sie wissen, warum er dort eingebrochen ist und warum er Ihnen schon die ganze Zeit folgt.«
»Vorher würde ich gerne wissen, wer er ist.« Ihre ernsten Mienen machten mir Angst. »Ist er eine Art ... Mörder?«
»Der Mann heißt Bruno Carrera. Er hatte in der Vergangenheit mit dem organisierten Verbrechen zu tun und stand mit ein paar sehr üblen Leuten in Verbindung. Dann war er für eine Weile verschwunden, aber nun ...« - Alessandro nickte zum Bildschirm hinüber - »ist er wieder da.«
Erneut warf ich einen Blick auf das Foto. Bruno Carrera hatte seine besten Jahre definitiv schon hinter sich. Seltsam, dass er aus
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