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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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mit ungewohnt finsterer Miene erwiderte. »Wo liegt Nassiriyah?«, flüsterte ich. »Wissen Sie das?«
    Aus irgendeinem Grund befremdete ihn meine Frage, aber er hatte keine Zeit zu antworten, denn Peppo fuhr mit einem tiefen Seufzer fort: »Meiner Meinung nach ist es nur eine Legende. Die Leute lieben Legenden. Und Tragödien. Und Verschwörungstheorien. Im Winter ist es hier sehr ruhig.«
    »Du glaubst also nicht, dass es stimmt?«
    Wieder seufzte Peppo. Allmählich bekam er schwere Augenlider. »Ich weiß selber nicht mehr, was ich glauben soll. Ach, warum schicken die nicht endlich einen Doktor?«
    In dem Moment flog die Tür auf, und die ganze Familie Tolomei kam in den Raum geströmt und versammelte sich unter lautem Jammern und Lamentieren rund um ihren gefallenen Helden. Als Peppos Frau Pia mich zur Seite stieß, um statt meiner den Platz neben ihrem Gatten einzunehmen, bedachte sie mich mit einem bitterbösen Blick, sagte aber kein Wort. Von den anderen kam ebenfalls nichts, was sich auch nur ansatzweise als Dankbarkeit interpretieren ließ. Um mir endgültig den Rest zu geben, wackelte genau in dem Moment, als ich mich zur Flucht bereitmachte, Nonna Tolomei zur Tür herein. Für sie bestand kein Zweifel, dass der eigentliche Missetäter bei der ganzen Sache nicht der Dieb war, sondern ich.
    »Tu!«, knurrte sie, während sie mit dem Zeigefinger anklagend auf mein Herz zielte. »Bastarda!«
    Sie gab noch eine Menge mehr von sich, was ich jedoch nicht verstand. Von ihrem Zorn hypnotisiert wie ein Reh vor einem heranbrausenden Zug, blieb ich wie angewurzelt stehen, bis mich Alessandro - entnervt von dieser Familienfete - am Ellbogen packte und auf den Gang hinauszerrte.
    »Puh!«, keuchte ich. »Das ist vielleicht ein giftiges Frauenzimmer. Kaum zu glauben, dass sie meine Tante ist, oder? Was hat sie gesagt?«
    »Nicht so wichtig«, antwortete Alessandro, während wir den Krankenhausgang entlanggingen. Dabei machte er ein Gesicht, als wünschte er, er hätte eine Handgranate mitgebracht.
    »Immerhin habe ich verstanden, dass sie Sie einen Salimbeni genannt hat!«, verkündete ich voller Stolz.
    »Ja, das hat sie. Und es war nicht als Kompliment gemeint.«
    »Was hat sie über mich gesagt? Das habe ich nicht ganz mitbekommen.«
    »Ist auch nicht so wichtig.«
    »O doch.« Ich blieb mitten auf dem Gang stehen. »Wie hat sie mich genannt?«
    Alessandro sah mich an. Sein Blick wirkte plötzlich weich. »Sie hat gesagt: Bastardkind. Du bist keine von uns.«
    »Oh.« Das musste ich erst mal verdauen. »Es glaubt anscheinend kein Mensch, dass ich wirklich Giulietta Tolomei bin. Vielleicht habe ich das ja verdient. Vielleicht ist das eine besondere Art von Fegefeuer, reserviert für Menschen wie mich.«
    »Ich glaube Ihnen.«
    Ich starrte ihn überrascht an. »Tatsächlich? Das ist ja ganz was Neues. Seit wann denn das?«
    Achselzuckend setzte er sich wieder in Bewegung. »Seit ich Sie heute bei mir in der Tür stehen sah.«
    Da ich nicht wusste, wie ich auf seine plötzliche Freundlichkeit reagieren sollte, legten wir den Rest des Weges schweigend zurück. Draußen vor dem Krankenhaus empfing uns jenes sanfte, goldene Licht, mit dem sich der Tag seinem Ende zuneigt und etwas weitaus weniger Vorhersehbares beginnt.
    »Heraus mit der Sprache, Giulietta«, sagte Alessandro, während er sich mir zuwandte und die Hände in die Hüften stemmte, »gibt es noch etwas, das ich wissen sollte?«
    »Nun ja« - ich musste die Augen zusammenkneifen, weil mich die Abendsonne blendete -, »da war noch ein Kerl auf einem Motorrad ...«
    »Santa Maria!«
    »Aber der ist nicht so schlimm. Er ... er folgt mir nur. Ich weiß nicht, was er von mir will ...«
    Alessandro verdrehte die Augen. »Sie wissen nicht, was er von Ihnen will? Muss ich Ihnen das wirklich erklären?«
    »Nein, nicht nötig.« Ich zog mein Kleid zurecht. »Er ist nicht das Problem. Aber dieser andere Kerl - der im Trainingsanzug -, der ist in mein Hotelzimmer eingebrochen. Deswegen ... deswegen glaube ich, ich sollte das Hotel wechseln.«
    »Sie glauben?« Alessandro wirkte nicht gerade beeindruckt. »Ich sage Ihnen jetzt mal was: Als Erstes gehen wir zur Polizei und ...«
    »Nein, nicht zur Polizei!«
    »Nur dort können Sie in Erfahrung bringen, wer Peppo das angetan hat. Von Monte dei Paschi aus habe ich keinen Zugang zur Verbrecherdatei. Keine Sorge, ich komme mit. Ich kenne die Leute dort.«
    »Ja, genau!« Beinahe hätte ich ihm den Zeigefinger in die Brust

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