Julia
dem Ruhestand zurückkehrte, um ein Stück Seide zu stehlen, das keinerlei kommerziellen Wert besaß. »Ich frage das aus reiner Neugier«, sagte ich, ohne nachzudenken, »aber hatte er jemals mit einem Mann namens Luciano Salimbeni zu tun?«
Die Beamten sahen sich an.
»Sehr geschickt«, flüsterte Alessandro und meinte damit das genaue Gegenteil. »Ich dachte, Sie wollten sich möglichst bedeckt halten.«
Als ich hochblickte, merkte ich, dass mich die Beamten mit neuem Interesse musterten. Ganz offensichtlich fragten sie sich gerade, was ich eigentlich in Siena zu suchen hatte und wie viele wichtige Informationen ich ihnen im Zusammenhang mit dem Einbruch im Museum noch vorenthielt.
»ha signorina conosce Luciano Salimbeni?«, wandte sich einer von ihnen an Alessandro.
»Sagen Sie ihnen, dass mein Cousin Peppo mir von Luciano Salimbeni erzählt hat«, wies ich ihn an. »Anscheinend war er vor zwanzig Jahren hinter irgendwelchen Erbstücken unserer Familie her. Und nur zu Ihrer Information: Das entspricht der Wahrheit.«
Alessandro erklärte es ihnen, so gut er konnte, doch die Polizeibeamten gaben sich damit nicht zufrieden, sondern fragten nach weiteren Einzelheiten. Es war ein seltsamer Machtkampf, denn allem Anschein nach respektierten sie ihn sehr. Trotzdem hatten sie wohl das Gefühl, dass mit mir und meiner Geschichte irgendetwas nicht stimmte. Schließlich verließen beide den Raum, und ich wandte mich mit fragender Miene an Alessandro, weil ich nicht wusste, was ich davon halten sollte. »War es das jetzt? Können wir gehen?«
»Sie glauben wirklich«, entgegnete er müde, »dass sie Sie gehen lassen, bevor Sie ihnen erklärt haben, was Ihre Familie mit einem der meistgesuchten Kriminellen Italiens zu schaffen hat?«
»Zu schaffen? Ich habe doch nur gesagt, dass Peppo den Verdacht hat ...«
»Giulietta ...« - Alessandro beugte sich zu mir vor, damit niemand unseren Wortwechsel mitbekam -, »warum haben Sie mir das alles denn nicht schon vorher gesagt?«
Ehe ich antworten konnte, kehrten die Beamten mit einem Ausdruck von Bruno Carreras Akte zurück. Sie baten Alessandro, mich zu einer bestimmten Passage zu befragen.
»Wie es scheint, liegen Sie richtig«, erklärte er, während er den Text überflog, »Bruno hat früher hin und wieder für Luciano Salimbeni gearbeitet. Einmal wurde er festgenommen und erzählte irgendeine Geschichte von einer Skulptur mit goldenen Augen ...« Er sah mich an, als versuchte er herauszufinden, wie aufrichtig ich war. »Wissen Sie etwas darüber?«
Obwohl es mich ein wenig erschütterte, dass die Polizei - wenn auch wohl nur ansatzweise - über die goldene Skulptur Bescheid wusste, brachte ich es nichtsdestotrotz fertig, entschieden den Kopf zu schütteln. »Nein, nie davon gehört.«
Für ein paar Sekunden lieferten wir uns ein lautloses Blickduell, doch ich gab nicht klein bei. Schließlich reichte er ihnen den Ausdruck zurück. »Wie es aussieht, könnte Luciano auch etwas mit dem Tod Ihrer Eltern zu tun gehabt haben. Kurz darauf ist er verschwunden.«
»Verschwunden? Ich dachte, er ist tot?«
Alessandro würdigte mich keines Blickes. »Vorsicht. Ich werde Sie jetzt nicht fragen, wer Ihnen das erzählt hat. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie nicht vorhaben, diesen Beamten weitere Informationen zu liefern?« Er sah mich an, und als ich nickte, fuhr er fort: »In diesem Fall würde ich vorschlagen, dass Sie allmählich einen auf traumatisiert machen, damit wir endlich von hier verschwinden können. Die haben mich nämlich schon zweimal nach Ihrer Sozialversicherungsnummer gefragt.«
»Darf ich Sie daran erinnern«, antwortete ich im Flüsterton, »dass Sie derjenige waren, der mich hierhergeschleppt hat?«
»Und jetzt schleppe ich Sie wieder raus.« Er legte einen Arm um mich und streichelte mir übers Haar, als müsste er mich trösten. »Keine Sorge wegen Peppo. Dem geht es bald wieder gut.«
Um meiner Rolle gerecht zu werden, lehnte ich mich an seine Schulter und sog laut und tränenreich die Luft ein. Es klang fast wie ein echter Seufzer. Als die Beamten sahen, wie verstört ich war, hatten sie endlich ein Einsehen und traten den Rückzug an. Fünf Minuten später verließen Alessandro und ich die Polizeiwache.
»Gute Arbeit«, lobte er mich, sobald wir außer Hörweite waren.
»Gleichfalls. Allerdings war das heute definitiv nicht mein Tag, Sie dürfen also nicht erwarten, dass ich vor Begeisterung einen Freudentanz aufführe.«
Er blieb stehen
Weitere Kostenlose Bücher