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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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zurückkehrten, nur ein Pferd mit Schaum vor dem Mund, das Adlerbanner und den Cencio. Von Romeo Marescotti aber fehlte jede Spur. Wie viele Leute sie auch gefragt hatten, immer hatten sie die gleiche Antwort bekommen: Kein Mensch hatte gesehen, wie Romeo den Platz verließ.
    Erst, als sie im weiteren Verlauf des Abends anfingen, die Leute in ihren Häusern zu befragen, gestand ein Mann - um seine Frau und seine Töchter vor den uniformierten Schurken zu retten -, er habe ein Gerücht gehört, dem zufolge Romeo Marescotti in Begleitung eines jungen Franziskanermönchs durch das unterirdische Bottini-Aquädukt entkommen sei.
    Als Giulietta später hörte, wie sich die Dienstboten dieses Gerücht zuflüsterten, sandte sie ein Dankgebet zur Jungfrau Maria empor. Für sie bestand kein Zweifel daran, dass der Franziskanermönch Bruder Lorenzo gewesen war, und sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er alles in seiner Macht Stehende tun würde, um den Mann zu retten, den sie liebte.
     

IV.V
    Ach, der ist solch ein allerliebster Herr!
    Ein Lump ist Romeo nur gegen ihn.
    Ein Adlersauge, Fräulein, ist so grell,
    So schön, so feurig nicht, wie Paris seins
     
     
     
    Die Monte-dei-Paschi-Bank, wo es nach Geschäftsschluss dunkel und still war, begrüßte uns mit heiterer Gelassenheit, als wir gemeinsam die Haupttreppe hinaufstiegen. Alessandro hatte mich gefragt, ob ich etwas dagegen hätte, wenn wir auf dem Weg zum Abendessen einen kurzen Zwischenstopp einlegten, und natürlich hatte ich keine Einwände. Während ich ihm nun bis ganz hinauf folgte, fragte ich mich allmählich, wo genau er mich eigentlich hinführte, und warum.
    »Nach Ihnen ...«Er öffnete eine schwere Mahagonitür und ließ mir den Vortritt in den Raum, der sich als großes Eckbüro entpuppte. »Ich brauche nur eine Minute.« Nachdem er eine Lampe angeschaltet hatte, verschwand er in ein Nebenzimmer, ließ jedoch die Tür einen Spalt offen. »Fassen Sie ja nichts an!«
    Ich blickte mich um. Die Einrichtung bestand aus einer eleganten Couchgarnitur und einem imposanten Schreibtisch mit entsprechendem Sessel. Allerdings wies das Büro kaum Spuren richtiger Arbeit auf. Der einsame Ordner auf dem Schreibtisch sah aus, als hätte man ihn hauptsächlich der Wirkung wegen dort platziert. Der einzige Wandschmuck waren die Fenster mit Blick auf die Piazza Salimbeni. Persönliche Dinge wie Diplome oder Fotografien konnte ich nirgendwo entdecken, und auch sonst wies nichts auf die Identität seines Inhabers hin. Gerade hatte ich einen Finger an die Schreibtischkante gelegt, um sie auf Staub zu prüfen, als Alessandro wieder zum Vorschein kam. Er knöpfte ein frisches Hemd zu. »Vorsicht«, warnte er mich,  »durch solche Schreibtische sterben viel mehr Menschen als durch Waffen.«
    »Ist das Ihr Büro?«, fragte ich dämlich.
    »Tut mir leid ...«, antwortete er, »ich weiß, dass es Ihnen unten im Keller besser gefällt. Mir übrigens auch.« Er griff nach einer Jacke, die über einer Stuhllehne hing. Der Blick, den er währenddessen über die feudale Einrichtung schweifen ließ, wirkte alles andere als begeistert. »Für mich ...«, fuhr er fort, »ist das hier die wahre Folterkammer.«
    Nachdem wir das Gebäude wieder verlassen hatten, blieb er mitten auf der Piazza Salimbeni stehen und musterte mich mit einem herausfordernden Lächeln. »Na, wohin führen Sie mich denn nun aus?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Ich würde gerne sehen, wo die Salimbenis zu Abend speisen.«
    Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. »Das halte ich für keine gute Idee. Es sei denn, Sie wollen den Rest des Abends mit Eva Maria verbringen.« Als er meinen ablehnenden Blick sah, fuhr er fort: »Warum suchen wir uns nicht anderswo ein nettes Lokal? Irgendwo in Ihrem Viertel.«
    »Aber ich kenne in der Eulen-Contrade niemanden«, wandte ich ein, »außer meinem Cousin Peppo. Und ich wüsste auch gar nicht, wo ich da zum Essen hingehen sollte.«
    »Sehr gut.« Er machte ein paar Schritte. »Dann wird uns wenigstens niemand nerven.«
     
    Am Ende landeten wir in der Taverna di Cecco, beim Eulenmuseum gleich um die Ecke. Es handelte sich um ein kleines Restaurant, das abseits der Hauptwege lag und von Ortsansässigen aus dem Viertel gut besucht war. Sämtliche Gerichte - von denen ein Teil in Tonschalen serviert wurde - sahen aus wie von Mamma hausgemacht. Als ich mich umblickte, entdeckte ich nirgendwo künstlerische Experimente auf halb leeren Tellern, deren Ränder mit

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