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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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mir, wie du mich überhaupt gefunden hast. Und was sollte das mit diesem dämlichen Romeo-Spiel?«
    »Kein Wort des Dankes! Die Tragik meines Lebens!« Wieder griff Janice in ihre Tasche. »Hätte ich diesen Bruno nicht vertrieben, wärst du jetzt womöglich tot. Und was tust du? Nörgeln, nichts als nörgeln!« Sie warf mir einen Brief über den Tisch, wobei sie nur knapp die Schale mit dem Olivenöl verfehlte. »Hier, überzeuge dich selbst. Das ist der echte Brief von der echten Tante Rose, überreicht durch den echten Mr. Gallagher.
    Am besten, du atmest erst mal tief durch. Das ist nämlich das Einzige, was sie uns hinterlassen hat.«
    Während sie sich mit zitternden Händen ihre wöchentliche Zigarette anzündete, wischte ich ein paar Krümel von dem Umschlag und holte dann den Brief hervor. Er bestand aus acht Seiten, die alle mit Tante Roses Handschrift bedeckt waren. Wenn das Datum stimmte, hatte sie ihn schon vor Jahren bei Mr. Gallagher deponiert.
    Sein Inhalt lautete folgendermaßen:
     
    Meine lieben Mädchen,
    ihr habt mich oft nach eurer Mutter gefragt, und ich habe euch nie die Wahrheit gesagt. Das geschah zu eurem eigenen Besten. Ich hatte Angst, ihr könntet versuchen, ihr nachzueifern, wenn ihr gewusst hättet, wie sie war. Da ich das alles aber nicht mit ins Grab nehmen möchte, sollt ihr nun endlich erfahren, was ich euch vor lauter Angst nie erzählen konnte.
    Ihr wisst ja, dass Diane nach dem Tod ihrer Eltern und ihres kleinen Bruders bei mir gelebt hat. Allerdings habe ich euch nie erzählt, wie die drei ums Leben gekommen sind. Das war sehr traurig und für Diane ein großer Schock, über den sie, glaube ich, nie hinweggekommen ist. Es kam damals bei schrecklich dichtem Urlaubsverkehr zu einem Autounfall. Von Diane weiß ich, dass es vorher einen heftigen Wortwechsel gab, an dem Diane schuld war, weil sie sich mit ihrem Bruder gestritten hatte. Das Ganze passierte am Heiligen Abend. Ich glaube, sie konnte sich das nie verzeihen. Deswegen weigerte sie sich auch jedes Jahr, ihre Weihnachtsgeschenke aufzumachen. Sie war ein sehr religiöses Mädchen, viel mehr als ihre alte Tante, vor allem an Weihnachten. Ich wünschte, ich hätte ihr helfen können, aber zu der Zeit rannte man noch nicht ständig zu irgendwelchen Ärzten. Sie interessierte sich immer sehr für Ahnenforschung. Ihrer Meinung nach stammte unsere Familie in der weiblichen Linie von italienischen Adligen ab, und sie erzählte mir, meine Mutter habe ihr vor ihrem Tod ein großes Geheimnis verraten. Ich fand es sehr seltsam, dass meine Mutter ihrer Enkelin etwas mitgeteilt haben sollte, das sie mir und Maria, also ihren eigenen Töchtern, vorenthalten hatte. Deswegen glaubte ich Diane kein Wort dieser Geschichte, doch sie ließ sich einfach nicht davon abbringen, dass wir von Shakespeares Julia abstammten und ein Fluch auf unserer Familie lag. Ihr zufolge war das auch der Grund, warum der arme Jim und ich keine Kinder bekamen und ihre Eltern und ihr Bruder sterben mussten. Ich habe sie in diesen Dingen nie bestärkt, sie aber trotzdem reden lassen. Nach ihrem Tod habe ich mir immer gedacht, ich hätte etwas unternehmen sollen, um ihr zu helfen, aber dafür ist es nun zu spät.
    Der arme Jim und ich versuchten Diane dazu zu bringen, ihr Studium abzuschließen, doch sie war zu rastlos. Ehe wir es uns versahen, war sie mit ihrem Rucksack in Richtung Europa aufgebrochen, und bald darauf schrieb sie uns, sie wolle irgendeinen italienischen Professor heiraten. Ich habe an der Hochzeitsfeier nicht teilgenommen. Der arme Jim war damals sehr krank, und nach seinem Tod war mir auch nicht mehr nach Reisen zumute. Inzwischen bereue ich das. Diane war dort drüben ganz auf sich allein gestellt, bestimmt hatte sie mit euch Zwillingen alle Hände voll zu tun, und dann kam auch noch ihr Mann durch einen Brand ums heben, so dass ich gar keine Gelegenheit mehr hatte, ihn kennenzulernen. Welch trauriges Ende.
    Ich habe ihr oft geschrieben, sie solle doch nach Hause kommen, aber dickköpfig, wie Diane nun mal war, wollte sie das nicht, Gott hab sie selig. Zu der Zeit hatte sie sich bereits ein eigenes Haus gekauft und wollte unbedingt die Forschungsarbeit ihres Mannes fortsetzen. Am Telefon erzählte sie mir, er habe sein ganzes Leben lang nach einem Familienschatz gesucht, der den Fluch aufheben könne. Natürlich glaubte ich kein Wort davon. Ich erklärte ihr, dass es sehr dumm von ihr war, wieder in ihre eigene Familie einzuheiraten, auch wenn es

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