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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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beziehungsweise Luciano Salimbeni gesagt hatte - was nicht viel war -, und im Gegenzug berichtete ich ihr, was ich seit meiner Ankunft in Siena erlebt hatte - was ja eine ganze Menge war.
    Hinterher suchten wir uns zum Essen ein Plätzchen auf der Piazza del Mercato, von wo man einen schönen Blick auf die Via del Malcontenti und ein tiefes, grünes Tal hatte. Der Kellner informierte uns darüber, dass auf der anderen Seite des Tales jene triste, nur in eine Richtung führende Straße namens Via di Porta Giustizia verlief, an deren Ende - in früheren Zeiten - die Verbrecher öffentlich hingerichtet wurden.
    »Nett«, stellte Janice fest, während sie ihre Ribollita-Suppe schlürfte und dabei die Ellbogen auf den Tisch stützte. »Kein Wunder, dass der alte Birdie keine Lust hatte, hierher zurückzukommen.«
    »Ich kann es noch immer nicht glauben«, murmelte ich und stocherte lustlos in meinem Teller herum. Wie immer, wenn ich Janice beim Essen zusah, verging mir der Appetit - ganz zu schweigen von den Überraschungen, die sie diesmal im Gepäck gehabt hatte. »Wenn er tatsächlich Mom und Dad umgebracht hat, warum dann nicht auch uns?«
    »Manchmal«, meinte Janice, »ist es mir so vorgekommen, als wäre er nicht mehr weit davon entfernt. Allen Ernstes. Wenn du mich fragst, hatte er den Blick eines Serienmörders.«
    »Vielleicht«, mutmaßte ich, »bereute er längst, was er getan hatte ...«
    »Oder«, fiel Janice mir ins Wort, »er wusste, dass er uns - oder zumindest dich - brauchte, um Mister Macaroni dazu zu bringen, Moms Truhe herauszurücken.«
    »Dann hat er womöglich auch diesen Bruno Carrera beauftragt, mich zu beschatten?« Ich versuchte Logik anzuwenden, wo Logik nicht ausreichte.
    »Das liegt doch wohl auf der Hand!« Janice verdrehte die Augen. »Und du kannst verdammt sicher sein, dass er auch bei deinem kleinen Playboy die Fäden zieht.«
    Ich bedachte sie mit einem bösen Blick, den sie gar nicht zu bemerken schien. »Ich hoffe, du meinst damit nicht Alessan-dro?«
    »Mmm, Alessandro ...« Sie ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. »Eines muss man dir lassen, Jules, er war das Warten wirklich wert. Zu schade, dass er schon mit Birdie unter einer Decke steckt.«
    »Du bist widerlich«, antwortete ich, fest entschlossen, mich nicht von ihr ärgern zu lassen, »und du hast unrecht.«
    »Tatsächlich?« Janice hatte nicht gern unrecht. »Dann erklär mir doch mal, warum er in dein Hotelzimmer eingebrochen ist.«
    »Wie bitte?«
    »O ja ...« Sie ließ sich Zeit, ihr letztes Stück Brot genüsslich ins Olivenöl zu tunken, ehe sie weitersprach. »An dem Abend, als ich dich vor Gummisohlen-Bruno retten musste und du dir anschließend bei diesem alten Malermeister einen angezwitschert hast ... da hat Alessandro es in deinem Hotelzimmer so richtig krachen lassen. Du glaubst mir nicht?« Über mein Misstrauen sichtlich erfreut, griff sie in ihre Tasche. »Dann sieh dir doch mal das hier an.«
    Nachdem sie ihr Handy herausgeholt hatte, zeigte sie mir mehrere verschwommene Aufnahmen von jemanden, der zu meinem Balkon hinaufkletterte. Ob es sich dabei tatsächlich um Alessandro handelte, war schwer zu sagen, doch Janice beharrte darauf, dass er es war. Außerdem kannte ich sie lange genug, um das typische Zucken rund um ihren Mund zu identifizieren - ein seltenes, aber sicheres Anzeichen dafür, dass sie ausnahmsweise mal die Wahrheit sagte.
    »Es tut mir leid«, erklärte sie und sah dabei fast so aus, als meinte sie es ernst, »ich weiß, dass ich damit deine kleine Seifenblase zum Platzen bringe, aber ich dachte, du solltest wissen, dass dein süßer Bär es nicht nur auf den Honig abgesehen hat.«
    Ich knallte ihr das Telefon wieder hin, wusste aber nicht, was ich sagen solle. In den letzten paar Stunden war so viel auf mich eingeprasselt, dass ich nun definitiv meinen Sättigungspunkt erreicht hatte. Erst Romeo ... tot und begraben. Dann Umberto ... wiedergeboren als Luciano Salimbeni. Und jetzt Alessandro ...
    »Sieh mich nicht so an!«, zischte Janice, die mit gewohntem Geschick die moralisch Überlegene spielte. »Schließlich tue ich dir nur einen Gefallen ! Stell dir vor, du hättest dich bereits in diesen Kerl verliebt und müsstest im Nachhinein feststellen, dass er die ganze Zeit nur auf den Familienschmuck aus war.«
    »Dann tu mir doch bitte noch einen zweiten Gefallen«, sagte ich und lehnte mich zurück, um für möglichst viel Abstand zwischen ihr und mir zu sorgen, »und erklär

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