Julia
Herzenswunsch, ins Kloster zu gehen, und sie fürchtet, dass sie keinem anderen als Christus eine wahrhaft glückliche Braut wird sein können. Ich dagegen hege keine Einwände gegen eine irdische Heirat, ganz im Gegenteil, ich glaube sogar, dass es mir Freude bereiten wird, einen eigenen Haushalt zu führen. Daher haben wir uns gefragt...« - nun warf Giannozza zum ersten Mal einen Blick zu ihrer Mutter hinüber, weil sie auf deren Zustimmung hoffte, »ob Ihr Euch vorstellen könntet, uns beide fortzuschicken - mich als Braut, und Giulietta als Novizin in ein nahegelegenes Kloster. Auf diese Weise könnten wir uns jederzeit sehen, und Ihr müsstet Euch keine Sorgen um unser Wohlergehen machen.«
Als ihr Vater merkte, wie sehr sich Giulietta gegen eine Ehe sträubte, erklärte er sich schließlich bereit, Giannozza ihren Platz einnehmen zu lassen. Was die andere Hälfte des Plans betraf, blieb er allerdings unerbittlich. »Da Giulietta jetzt noch nicht heiraten möchte«, erklärte er, während er mit verschränkten Armen hinter seinem großen Schreibtisch thronte und seine Töchter flehend vor ihm standen, »wird sie eben später heiraten, wenn sie diesem ... Unsinn entwachsen ist.« Verärgert darüber, dass seine Pläne derart durchkreuzt wurden, schüttelte er den Kopf. »Ich hätte euch Mädchen niemals das Lesen lehren sollen ! Vermutlich habt ihr hinter meinem Rücken die Bibel studiert - was schon ausreicht, um einem Mädchen Flausen in den Kopf zu setzen!«
»Aber Vater ...«
Erst jetzt trat ihre Mutter mit funkelnden Augen vor. »Schämen solltet ihr euch«, zischte sie ihre Töchter an, »euren Vater in eine solche Situation zu bringen! Wir sind nicht arm, und dennoch bittet ihr ihn, so zu verfahren, als wären wir es! Ihr verfügt beide über eine Mitgift, die selbst einen Prinzen reizen könnte! Trotzdem waren wir wählerisch. Schon viele haben um deine Hand angehalten, Giulietta, doch euer Vater hat sie alle weggeschickt, weil er wusste, dass wir eine noch bessere Partie machen können. Und nun soll er sich darüber freuen, dich als Nonne zu sehen? ... Als verfügten wir nicht über die Mittel und Beziehungen, dich zu verheiraten? Ihr solltet euch schämen, eure selbstsüchtigen Wünsche über die Würde eurer Familie zu stellen!«
So kam es, dass Giannozza mit einem Mann verheiratet wurde, den sie nie zuvor gesehen hatte, und ihre Hochzeitsnacht mit einem Bräutigam verbrachte, der dreimal so alt war wie sie und die Augen ihrer Mutter, aber die Hände eines Fremden hatte. Als sie sich am nächsten Morgen von ihrer Familie verabschiedete - um anschließend in Begleitung ihres frischgebackenen Ehemannes für immer fortzugehen -, umarmte sie nacheinander alle drei, wobei sie kein Wort sagte, sondern die Lippen fest aufeinanderpresste, um ja nicht der Versuchung zu erliegen, ihre Eltern zu verfluchen.
Die Worte kamen erst später, in endlosen Briefen, abgeschickt von ihrem neuen Zuhause. Adressiert waren sie allerdings nicht direkt an Giulietta, sondern an ihren gemeinsamen Freund Bruder Lorenzo, damit er sie ihr heimlich übergeben konnte, wenn er Giulietta in der Kapelle die Beichte abnahm. Es handelte sich um Briefe, die man nie wieder vergaß, Briefe, die den Leser auf ewig verfolgten. Giulietta spielte in ihren eigenen Briefen oft darauf an, beispielsweise, wenn sie ihrer Schwester zustimmte, »dass es, wie du sagst, auf dieser Welt tatsächlich Männer gibt, die ihre Kraft aus dem Bösen ziehen und deren einziger Lebenszweck darin besteht, andere leiden zu sehen«. Aber sie ermutigte Giannozza stets, die positiven Aspekte ihrer Situation nicht außer Acht zu lassen: Immerhin war ihr Gatte bereits alt und kränklich, so dass er bestimmt sterben würde, solange sie noch jung war, und auch wenn sie nicht nach draußen durfte, so hatte sie von ihrem Schloss doch zumindest einen wunderbaren Ausblick. Sie ging sogar so weit, ihre Schwester darauf hinzuweisen, dass »obwohl du gegenteiliger Meinung bist, meine Liebste, die Gesellschaft von Männern sehr wohl eine gewisse Freude bereiten kann. Nicht alle sind durch und durch verderbt.«
In ihrem Abschiedsbrief an Giannozza, den sie am Tag nach Tebaldos Begräbnis in ihrer Gefängniszelle verfasste, konnte sich auch Giulietta nicht mehr so tapfer zugunsten der Zukunft aussprechen. »Du hattest recht«, schrieb sie einfach, »und ich unrecht. Wenn das Leben mehr schmerzt als der Tod, dann lohnt es sich nicht mehr zu leben.«
Daher hatte sie
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