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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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das silberne Kruzifix, welches er mit der Hand umklammert hatte, bis in ihrem Kopf schließlich ein Plan Gestalt gewann.
    Vor ihrer Heirat hatte Monna Mina einen Beichtvater gehabt, einen heiligen und wunderbaren Mann, der aus dem Süden stammte, aus Viterbo, und der oft von der Kathedrale der Stadt erzählt hatte, San Lorenzo. War das nicht genau der richtige Ort für die sterblichen Überreste des Mönchs? Vielleicht konnten ihm seine heiligen Brüder dort helfen, endlich Frieden zu finden - weit weg von Siena, wo er solch unsägliche Grausamkeiten hatte erdulden müssen.
    Als ihr Gatte an diesem Abend zurückkehrte, hatte Monna Mina bereits alles vorbereitet. Die sterblichen Überreste von Bruder Lorenzo befanden sich in einem hölzernen Sarg, bereit, auf einen Wagen geladen zu werden, und es lag auch schon ein Brief an die Priester von San Lorenzo parat, welcher gerade genug erklärte, um sie wissen zu lassen, dass sie es mit einem Mann zu tun hatten, der es verdiente, endlich von seinen Leiden erlöst zu werden. Das Einzige, was noch fehlte, war die Erlaubnis ihres Mannes und eine Handvoll Geld, damit das Unterfangen in die Wege geleitet werden konnte, aber Monna Mina war eine Frau, die sehr schnell - bereits in den wenigen Monaten ihrer Ehe - gelernt hatte, dass ein angenehmer Abend ausreichte, um einem Mann solche Dinge zu entlocken.
    Ehe der Nebel auf der Piazza Salimbeni sich lichtete, stand sie am nächsten Morgen an ihrem Schlafzimmerfenster, während ihr Gatte hinter ihr noch selig schlafend im Bett lag, und sah zu, wie der Wagen mit dem Sarg nach Viterbo aufbrach. Um den Hals trug sie das gereinigte und polierte Kruzifix von Bruder Lorenzo. Ihr erster Impuls war gewesen, es zu den sterblichen Überresten des Mönchs in den Sarg zu legen, doch am Ende hatte sie beschlossen, es als Zeichen ihrer mystischen Verbundenheit zu behalten.
    Sie wusste noch nicht, warum er ausgerechnet sie auserwählt hatte, um durch sie zu sprechen und ihre Hand zu zwingen, einen Fluch niederzuschreiben, der ihrer Familie so viel Unglück gebracht hatte. Ihr Gefühl aber sagte ihr, dass er es aus Güte getan hatte, um sie auf diese Weise wissen zu lassen, dass sie ein Gegenmittel finden musste. Bis ihr das gelungen war, wollte sie das Kruzifix behalten, damit es sie immer wieder an die Worte an der Wand erinnerte und an den Mann, dessen letzte Gedanken nicht sich selbst gegolten hatten, sondern Romeo und Giulietta.
     

VII.I
    Mit Namen weiß ich dir nicht zu sagen, wer ich hin.
    Mein eigner Name, teure Heil'ge, wird,
    Weil er dein Feind ist, von mir selbst gehasst
     
    Nachdem Maestro Lippi aufgehört hatte zu übersetzen, herrschte eine Weile Schweigen. Ursprünglich hatte ich den italienischen Text nur herausgeholt, um von dem Thema abzulenken, dass Alessandro Romeo war. Hätte ich gewusst, dass uns dieser Text an solch dunkle Orte führen würde, wäre ich wahrscheinlich vorsichtiger damit umgegangen.
    »Armer Bruder Lorenzo«, meinte schließlich Janice, nachdem sie ihr Weinglas geleert hatte, »kein Happy End für ihn.«
    »Ich war schon immer der Meinung, dass Shakespeare ihn zu leicht hat davonkommen lassen«, versuchte ich einen lockereren Ton anzuschlagen. »In Romeo und Julia wandert er mit blutroten Händen über den Friedhof - wo überall Leichen herumliegen - und gibt auch noch zu, dass er hinter dem ganzen unglückseligen Schlamassel mit dem Schlaftrank steckte ... und das war's. Man möchte doch meinen, die Capulets und die Montagues würden zumindest versuchen, ihn zur Verantwortung zu ziehen.«
    »Vielleicht haben sie das ja getan«, meinte Janice, »aber erst später. Ich will dann strafen oder Gnad erteilen ... das klingt nicht, als wäre das Ganze schon vorbei, bloß weil der Vorhang fiel.«
    »Wie es aussieht, war es tatsächlich noch nicht vorbei«, antwortete ich mit einem Blick auf den Text, den Maestro Lippi gerade für uns übersetzt hatte. »Und laut Mom ist es das nach wie vor nicht.«
    »Das alles«, mischte sich der Maestro ein, der wegen der teuflischen Taten des alten Salimbeni noch immer die Stirn runzelte, »ist sehr beunruhigend. Wenn es stimmt, dass Bruder Lorenzo solch einen Fluch niedergeschrieben hat, und zwar in genau jenen Worten, dann hieße das theoretisch, dass der Fluch ewig weiterwirkt, bis ...« - er blätterte zu der entsprechenden Stelle im Text zurück, um sie nicht falsch zu zitieren - »eure Sünden ihr sühnt und vor der Jungfrau niederkniet ... und Giulietta erwacht und ihren

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