Julia
Romeo wiedersieht.«
»Tja«, meinte Janice, seit jeher kein großer Fan von abergläubischem Hokuspokus, »dazu hätte ich zwei Fragen. Erstens: wer ist dieses ihr ...?«
»Das liegt doch auf der Hand«, warf ich ein, »denn schließlich beginnt Lorenzo seinen Fluch mit Hol der Henker eure beiden Häuser. Damit wendet er sich ganz offensichtlich an Salimbeni und Tolomei, die ja bei ihm im Keller waren, um ihn zu foltern. Und da wir zwei, du und ich, aus dem Hause Tolomei stammen, sind wir ebenfalls verflucht.«
»Du solltest dich mal hören!«, fauchte Janice. »Aus dem Hause Tolomei! Was bedeutet schon ein Name?«
»Nicht nur ein Name«, widersprach ich, »die Gene und der Name. Mom hatte die Gene und Dad den Namen. Da bleibt für uns nicht mehr viel Spielraum.«
Janice behagte meine Logik überhaupt nicht, aber was sollte sie machen? »Na schön, meinetwegen«, seufzte sie, »Shakespeare hatte unrecht. Es gab nie einen Mercutio, der wegen Romeo sterben musste und deshalb ihn und Tybalt mit einem Fluch belegte. Der Fluch kam von Bruder Lorenzo. Schön. Aber ich hätte noch eine zweite Frage, und zwar: Wenn man tatsächlich an diesen Fluch glaubt, was dann? Gibt es wirklich Leute, die blöd genug sind sich einzubilden, sie könnten ihm ein Ende setzen? Wir reden hier ja nicht nur von bereuen, sondern von sühnenl Wie soll denn das Herrgott nochmal gehen? Sollen wir den alten Salimbeni ausbuddeln und dazu bringen, dass er es sich anders überlegt und ... und ... und ihn dann in die Kathedrale schleppen, damit er vor dem Altar oder sonstwo auf die Knie fallen kann? Also bitte\« Sie funkelte uns beide streitlustig an, als hätten der Maestro und ich ihr dieses Problem beschert. »Warum fliegen wir nicht einfach heim und lassen den blöden Fluch hier in Italien? Warum müssen wir uns deswegen Gedanken machen?«
»Weil Mom sich deswegen Gedanken gemacht hat«, antwortete ich schlicht. »Ihr Ziel war, das Ganze durchzuziehen und dem Fluch ein Ende zu setzen. Jetzt müssen wir das für sie übernehmen. Das sind wir ihr schuldig.«
Janice deutete mit dem Rosmarinzweig auf mich. »Du erlaubst mir, mich selbst zu zitieren? Wenn wir ihr überhaupt etwas schuldig sind, dann höchstens, am Leben zu bleiben.«
Ich berührte das Kruzifix, das ich um den Hals hängen hatte. »Genau das meine ich doch. Wenn wir ein langes, glückliches Leben führen wollen, dann müssen wir - zumindest laut Mom - dem Fluch ein Ende setzen. Du und ich, Giannozza. Außer uns ist niemand mehr übrig, der das tun könnte.«
An ihrem Blick merkte ich, dass sie ins Wanken kam. Offenbar begriff sie allmählich, dass ich recht hatte oder zumindest eine überzeugende Geschichte erzählte, auch wenn sie ihr nicht gefiel. »Das alles«, sagte sie, »klingt so irreal. Aber gut, mal angenommen, es existiert tatsächlich so ein Fluch, der uns - wenn wir ihm kein Ende setzen - genauso das Leben kosten wird wie Mom und Dad. Bleibt immer noch die Frage wie? Wie setzen wir ihm ein Ende?«
Ich warf einen Blick zum Maestro hinüber. Er war den ganzen Abend über bei ungewöhnlich klarem Verstand gewesen -und war es nach wie vor -, doch selbst er hatte keine Antwort auf Janices Frage parat. »Keine Ahnung«, gestand ich, »aber ich vermute, es hat etwas mit der goldenen Statue zu tun, und vielleicht auch mit dem Dolch und dem Cencio. Wobei ich nicht weiß, wie das alles zusammenhängen soll.«
»Na wunderbar!« Genervt warf Janice beide Hände hoch. »Dann ist die Sache ja geritzt! ... Abgesehen davon, dass wir keinen blassen Schimmer haben, wo sich die Statue befindet.
In der Geschichte heißt es bloß, Salimbeni gab ihnen ein höchst heiliges Grab und postierte Wachen in der Kapelle, aber das könnte überall sein! Also ... wir wissen nicht, wo die Statue ist, und dir ist sowohl der Dolch als auch der Cencio abhandengekommen. Es wundert mich, dass es dir gelungen ist, das Kruzifix zu behalten - was aber vermutlich daran liegt, dass es nicht die geringste Bedeutung hat!«
Ich sah Maestro Lippi an. »Sie haben mir doch aus dem Buch vorgelesen, in dem es um Julias Augen und das Grab ging ... Sind Sie sicher, dass darin nichts darüber stand, wo sich das Grab befindet? Als wir darüber sprachen, haben Sie nur gesagt, ich solle Romeo fragen.«
»Und? Haben Sie es getan?«
»Nein, natürlich nicht!« Obwohl mir klar war, dass ich den Maler nicht für meine eigene Blindheit verantwortlich machen durfte, empfand ich einen Anflug von Wut. »Ich weiß doch erst
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