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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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er ihn tatsächlich finden und ihr geben, im Gegenzug etwas aushändigen würde, das die Familie Marescotti bestimmt ebenso gern wieder in ihrem Besitz hätte und das sich schon viel zu lange in den Händen der Tolomeis befinde. Sie fragte ihn, ob er eine Ahnung habe, von welcher Art Schatz sie spreche, doch er verneinte.
    Daraufhin holte Diane Tolomei ein Foto aus der Tasche und legte es vor ihm auf den Tisch. Plötzlich bekreuzigte sich Großvater Marescotti, denn er begriff, dass es sich bei dem alten Stück, das auf dem Foto zu sehen war, nicht um irgendeinen beliebigen, auf einem Tisch ausgebreiteten alten Cencio handelte, sondern um jenen ganz besonderen Cencio, den ihm sein eigener Großvater viele Male beschrieben hatte - einen Cencio, von dem er nie gedacht hätte, ihn eines Tages sehen oder berühren zu können, weil er davon ausgegangen war, dass er längst nicht mehr existierte.
    »Wie lange«, fragte er mit zitternder Stimme, »hält Ihre Familie den schon vor uns versteckt?«
    »Genau so lange«, entgegnete Diane Tolomei, »wie Ihre Familie den Ring vor uns versteckt hält, Signore. Nun sind Sie bestimmt wie ich der Meinung, dass es an der Zeit ist, diese Schätze ihren rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben und dem Übel, das uns beide in diesen traurigen Zustand versetzt hat, für immer ein Ende zu setzen.«
    Natürlich war Großvater Marescotti beleidigt, weil sie ihm unterstellte, dass er sich in einem traurigen Zustand befand. Das brachte er auch zum Ausdruck, indem er laut die Segnungen aufzählte, die ihn von allen Seiten umgaben.
    »Wollen Sie wirklich behaupten«, antwortete Diane Tolomei, während sie sich über den Tisch beugte und seine Hände berührte, »dass es nicht Tage gibt, an denen Sie sich von den ungeduldigen Blicken einer starken Macht beobachtet fühlen - einem alten Verbündeten, der schon lange darauf wartet, dass Sie endlich tun, was Sie zwangsläufig irgendwann tun müssen?«
    Ihre Worte machten großen Eindruck auf ihre beiden Gastgeber, so dass sie alle drei für einen Moment schweigend dasaßen. Plötzlich aber brach drüben in der Scheune ein fürchterliches Geschrei los, und sie sahen, wie Romeo angelaufen kam und sich dabei verzweifelt abmühte, eines der beiden kleinen Mädchen zu tragen, das wild um sich trat und gleichzeitig brüllte wie am Spieß. Es handelte sich um Giulietta, die sich an einer Heugabel verletzt hatte und nun von Romeos Großmutter auf dem Küchentisch verarztet werden musste.
    Romeos Großeltern waren wegen der Sache nicht richtig böse auf ihn. Es verhielt sich viel schlimmer: Sie waren einfach nur entsetzt, immer wieder mit ansehen zu müssen, wie ihr Enkelsohn auf Schritt und Tritt eine Spur des Schmerzes und der Zerstörung hinterließ. Nun, nachdem sie Diane Tolomeis Geschichten gehört hatten, begannen sie sich zu fragen, ob er vielleicht wirklich teuflische Hände hatte ... und irgendein alter Dämon in seinem Körper weiterlebte, so dass er genau wie sein Vorfahre Romeo ein Leben - ein kurzes Leben - voller Gewalt und Kummer führen würde.
    Großvater Marescotti empfand wegen der Verletzung, die das kleine Mädchen davongetragen hatte, solche Schuldgefühle, dass er Diane versprach, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um den Ring zu finden. Sie dankte ihm und versprach ihrerseits, völlig unabhängig davon, ob er erfolgreich sein würde oder nicht, bald mit dem Cencio wiederzukommen, damit wenigstens Romeo bekam, was ihm zustand. Aus irgendeinem Grund war es ihr sehr wichtig, dass Romeo noch da sein würde, wenn sie erneut zu Besuch kam, weil sie etwas mit ihm ausprobieren wollte. Mehr sagte sie dazu nicht, und niemand wagte nachzuhaken.
    Man einigte sich darauf, dass Diane Tolomei erst in zwei Wochen wiederkommen sollte, damit Großvater Marescotti Zeit für seine Nachforschungen wegen des Rings hatte. Ihre Verabschiedung fiel sehr freundschaftlich aus. Ehe Diane fuhr, wandte sie sich jedoch ein weiteres Mal an Großvater Marescotti. Sie bat ihn, sehr vorsichtig zu sein, falls seine Suche nach dem Ring tatsächlich erfolgreich verlaufen sollte, und das Kästchen möglichst nicht zu öffnen, oder höchstens ganz kurz. Unter keinen Umständen dürfe er den Ring selbst berühren, denn dieser habe, wie er nun ja wisse, eine lange Geschichte als Unglücksbringer.
    Großvater Marescotti war sehr froh darüber, dass er Diane und ihre zwei kleinen Mädchen kennengelernt hatte. Gleich am nächsten Tag fuhr er in die Stadt, fest entschlossen,

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